Acht von zehn Jobsuchenden wünschen sich laut einer im Jahr 2015 durchgeführten Studie des Jobportals Monster.de einen Arbeitgeber, der ihnen flexible Arbeitsorte und -zeiten ermöglicht. Die Zahl der Deutschen, die zuhause arbeiten, geht allerdings − gegen den Trend in Europa − kontinuierlich zurück. So hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) herausgefunden, dass 2012 4,7 Millionen Menschen regelmäßig im Home Office arbeiteten. Das sind 800.000 weniger als noch 2008.

 

Präsenzkultur in deutschen Unternehmen

Es gibt gute Argumente für das Arbeiten zuhause und ebenso gute, ins Büro zu gehen. In den meisten Betrieben stoßen Arbeitnehmer mit ihrem Wunsch nach einer zeitweisen Arbeit im Home Office auf taube Ohren. Viele Arbeitgeber vermuten, dass die Heimarbeiter faulenzen und dadurch nicht genug leisten. Angestellte, die zuhause arbeiten, werden seltener befördert als ihre Kollegen, die jeden Tag ins Büro kommen. Denn Vorgesetzte merken sich eher diejenigen, die sichtbar sind.

Nach wie vor ist die deutsche Unternehmenskultur eine Präsenzkultur, in der diejenigen die größten Aufstiegschancen haben und das höchste Gehalt bekommen, die am meisten Zeit im Büro verbringen und ihren Schreibtisch als Letzte verlassen. Auch wenn das nicht förderlich für die Work-Life-Balance und immer noch ein Karrierekiller für Mütter und Väter ist.

 

Pro Home Office

Dass Heimarbeiter effektiv sind, wurde in mehreren Untersuchungen wissenschaftlich belegt: So haben etwa Forscher der Universität Stanford die Arbeitsleistung von Angestellten eines Callcenters im Unternehmen und im Home Office miteinander verglichen. Die Mitarbeiter, die zuhause arbeiteten, erhöhten ihre Produktivität um 13 Prozent, waren seltener krank, machten weniger Pausen und schafften ein größeres Arbeitspensum als vorher. Da ihre Arbeitszufriedenheit anstieg, kündigten 50 Prozent weniger Mitarbeiter als in der Vergleichsgruppe, die täglich ins Büro ging.

Die Voraussetzungen für Heimarbeitsplätze sind mittlerweile optimal. Per Internet ist man bei jeder Telefonkonferenz dabei, hat Datenzugriff ins Firmennetz und kann arbeiten, als sei man direkt in der Firma. Durch den Wegfall des Arbeitswegs sparen Heimarbeiter Zeit, Nerven und sind flexibler. Sie müssen nicht in einem lauten Großraumbüro sitzen, das in der Regel wenig Platz für kreative Phasen und konzentriertes Arbeiten bietet. Zudem müssen keine Unterhaltungen von Kollegen oder laute Telefonate mit angehört werden. In den eigenen vier Wänden finden Arbeitnehmer die nötige Ruhe für ihre Aufgaben. In den meisten Fällen bedeutet die Arbeit im Home Office nicht, dass der Arbeitnehmer keine Präsenz mehr im Unternehmen zeigt. Persönliches Erscheinen bei Meetings und die Kontaktpflege mit den Kollegen ist wichtig. Wenn jedoch wichtige Mitarbeiter prinzipiell an bestimmten Tagen nicht da sind, fallen in dieser Zeit langatmige Meetings weg, so dass sich Besprechungen auf das Notwendigste reduzieren lassen.

 

Contra Home Office

Für die Arbeit im Home Office ist ein hohes Maß an Selbstdisziplin und -motivation, Zeitmanagement und Organisation nötig. Das liegt nicht jedem, denn das eigene Zuhause kann schnell von der Arbeit ablenken. Die Möglichkeit, zwischendurch Wäsche zu waschen oder einzukaufen, kann dazu verführen, sich vollkommen zu verzetteln. Ein weiterer Punkt auf der Negativliste ist ein geringeres soziales Leben aufgrund selteneren Kontakts zu Kollegen. Wer Stress hat, kann außerdem durch die fehlende räumliche Trennung schlechter von der Arbeit abschalten. Dazu kommt, dass ein Büroschnack wegfällt, der eventuell für einen Informationsvorsprung sorgt und der Karriere zuträglich sein kann. Wer ständig zu Hause arbeitet, kann unter Umständen nicht rechtzeitig gegensteuern, wenn etwas den eigenen Interessen zuwiderläuft. Viele Heimarbeiter verlieren außerdem den Überblick darüber, wie viel sie wirklich arbeiten, da sie nur schlecht zwischen Job und Freizeit trennen können und dadurch ständig im Arbeitsmodus bleiben.

Auch wenn Meetings zeitraubend sein können, lassen sich viele Ziele nur im Team erreichen. Um ein gutes Team zu bilden, müssen die Mitarbeiter sich treffen, persönlich kennen und einander einschätzen können. Das funktioniert in der Regel nur, wenn alle regelmäßig ins Büro kommen. Aus Arbeitgebersicht kommt ein weiterer negativer Punkt hinzu: Er kann nicht kontrollieren, was ein Mitarbeiter im Home Office den ganzen Tag macht. Zudem kann eine eingeschränkte Kommunikation zu Problemen in den Abläufen führen. Das betrifft insbesondere Angestellte, deren Aufgaben in enger Absprache mit anderen Abteilungen koordiniert werden. Es ist eben doch einfacher, schnell zum Schreibtisch eines Kollegen zu gehen und sich mit diesem persönlich abzustimmen.

 

Fazit: Das Home Office bietet viele Vorteile − aber nicht für jeden

Die Arbeit im Home Office hat also zwei Seiten. Nicht jeder Arbeitnehmer ist für die Heimarbeit geeignet, denn manche Menschen brauchen die klaren Strukturen im Büro und Druck durch einen Chef im Nacken, um sich zu motivieren und effektiv zu arbeiten. Andere arbeiten besser, wenn sie die Möglichkeit der freien Zeiteinteilung und die familiäre Atmosphäre in der eigenen Wohnung haben. Aus Unternehmenssicht sollte eine gute Infrastruktur vorhanden sein, um die räumlich getrennten Mitarbeiter zu koordinieren und die gemeinsame Arbeit zu organisieren.

 

Die rechtlichen Grundlagen

Arbeitnehmer in Deutschland haben keinen grundsätzlichen Anspruch darauf, die Arbeit im Home Office zu verrichten. Es bedarf einer Vereinbarung mit dem Arbeitgeber, die im Arbeitsvertrag festgeschrieben sein, sich aus einer Betriebsvereinbarung oder dem Tarifvertrag ergeben kann. Die Abmachung ist rechtlich bindend, solange sie für beide Seiten klappt. Sollte das Arrangement aus betrieblichen Gründen nicht mehr funktionieren, kann der Arbeitgeber mit dem Mitarbeiter eine Vertragsveränderung ausmachen. Falls der Arbeitnehmer nicht zustimmt, kann der Arbeitgeber eine Änderungskündigung aussprechen. Das bedeutet, er kann das Arbeitsverhältnis kündigen, aber anbieten, das Verhältnis zu anderen Bedingungen fortzusetzen.

 

Was für Erfahrungen haben Sie mit der Arbeit im Home Office gemacht − als Arbeitgeber oder Arbeitnehmer? Wie haben Sie eventuell aufgetretene Probleme gelöst? Ich freue mich auf Ihr Feedback.

 

Urheber des Bildes: © Jürgen Fälchle – Fotolia.com

 

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