Trotz Krankschreibung arbeiten – dieses Phänomen ist in Deutschland recht weit verbreitet. Präsentismus nennt man es aus fachlicher Sicht. Eine Krankschreibung verbietet Arbeitnehmern nicht, ihrer Tätigkeit nachzugehen. Ob das aber wirklich sinnvoll ist – auch aus rechtlicher Sicht – erfahren Sie hier.
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung: Prognose über den Krankheitsverlauf
Wer krank ist, lässt sich vom Arzt eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) ausstellen. Von Arbeitsunfähigkeit spricht man, wenn ein Arbeitnehmer objektiv nicht mehr dazu in der Lage ist, seine im Arbeitsvertrag festgeschriebenen Aufgaben zu erledigen oder wenn die Gefahr besteht, dass die Arbeitsaufnahme seinen Gesundheitszustand verschlimmert.
Eine AU stellt aber grundsätzlich kein Arbeitsverbot dar, sondern gibt lediglich eine Prognose ab, wie lange der Krankheitsverlauf vermutlich dauern wird. Es kann durchaus sein, dass Sie sich bereits vor Ablauf dieser Zeit wieder fit und einsatzfähig fühlen. Dann dürfen Sie auch wieder arbeiten gehen. Ausnahmen gibt es nur für ausdrückliche Beschäftigungsverbote, etwa während der Schwangerschaft.
Arbeiten trotz Krankschreibung: Informieren Sie Ihren Arbeitgeber
Nehmen Sie Ihre Arbeit vorzeitig wieder auf, gilt weiterhin der übliche Versicherungsschutz in der gesetzlichen Kranken- und Unfallversicherung. Dieser umfasst auch den Arbeitsweg. Das gilt ebenfalls bei einer kurzzeitigen Arbeitsaufnahme, wenn Sie etwa aufgrund akuten Personalmangels einspringen.
Sie sollten den Arbeitgeber aber in jedem Fall über ihre Arbeitsfähigkeit informieren. Möchten Sie die Arbeit früher wieder aufnehmen, ist es ratsam, die ursprüngliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom Arzt korrigieren zu lassen. Auf diese Weise erhalten der Arbeitgeber und die Krankenkasse einen Nachweis über Ihre frühere Arbeitsfähigkeit.
Präsentismus in Deutschland weit verbreitet
Trotz Krankschreibung zur Arbeit zu gehen, ist also erlaubt. Aber ist es auch eine gute Idee? Der sogenannte Präsentismus ist in Deutschland weit verbreitet. Das zeigt unter anderem eine Umfrage der Techniker Krankenkasse aus dem Jahr 2022.
Demnach arbeitet mehr als ein Viertel der Beschäftigten häufig oder sehr häufig trotz Krankheit. Zu dieser Gruppe gehören vor allem junge Beschäftigte und Frauen, aber auch Angestellte mit befristetem Arbeitsvertrag und Menschen mit viel Personalverantwortung.
Unter den Beschäftigten bis 29 Jahre gehen zwei Drittel sogar mit Schmerzen, Schüttelfrost und Fieber ihrem Job nach. Und mehr als die Hälfte der Berufseinsteiger arbeitet auch mit Symptomen weiter, die auf einen Burn-out hindeuten.
Krank zur Arbeit – das birgt Risiken
Mit welchen Risiken der Präsentismus verbunden ist, hängt von der Art der Erkrankung ab. Haben Sie sich den Fuß gebrochen und fühlen sich schon vor Ablauf der Krankschreibung wieder fit genug, um am Schreibtisch zu sitzen, ist das für gewöhnlich kein Problem. Anders sieht es bei akuten Infekten aus. Hier besteht das Risiko, dass Sie Ihre Kollegen anstecken und am Ende noch mehr Arbeitskräfte fehlen.
Das Ansteckungsrisiko ist Beschäftigten, die vor Ort arbeiten, in der Regel bewusst. Sie bleiben mit einer offiziellen Krankschreibung eher der Arbeit fern als Menschen, die im Homeoffice tätig sind.
Wer zu Hause krank am Schreibtisch sitzt, läuft allerdings Gefahr, den Infekt zu verschleppen. Die Beschwerden bleiben über einen längeren Zeitraum hinweg bestehen, als wenn Sie sich vernünftig auskurieren, und verschlimmern sich eventuell. Körperliche Beschwerden schränken zudem die Leistungsfähigkeit ein. Ihnen unterlaufen schneller Fehler, die für das Unternehmen unter Umständen teuer werden können.
Sind Sie krankgeschrieben, sollten Sie die Zeit daher lieber nutzen, um sich zu erholen und vollständig zu genesen.
Krankschreibung: Arbeitgeber haben Fürsorgepflicht
Arbeitgeber haben gegenüber ihren Beschäftigten Fürsorgepflicht. Das bedeutet unter anderem, sie dürfen nicht verlangen, dass Beschäftigte trotz ärztlicher Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung am Arbeitsplatz erscheinen. Tun sie dies doch, kann das einen Verstoß gegen die Fürsorgepflicht darstellen und zu Schadensersatzansprüchen seitens des Arbeitnehmers führen.
Gehen Sie nun trotz Krankschreibung freiwillig zur Arbeit, sollte sich Ihr Arbeitgeber vergewissern, ob Sie tatsächlich einsatzfähig sind. Auch das gehört zu seiner Fürsorgepflicht. Wirken Sie noch sehr angeschlagen, kann er Sie wieder nach Hause schicken.
Gleiches gilt, wenn Sie an einer Infektionskrankheit leiden und die Gefahr besteht, dass Sie andere Beschäftigte anstecken. Denn auch ihnen gegenüber muss der Arbeitgeber seine Fürsorgepflicht wahrnehmen. Lässt er Sie zum Beispiel trotz akuter Grippe im Büro arbeiten, können Kollegen, die sich anstecken, ihrerseits Schadensersatzansprüche anmelden.
Gut zu wissen: Eine „Gesundschreibung“ gibt es in Deutschland nicht. Sie müssen Ihrem Arbeitgeber also keine ärztliche Bescheinigung vorlegen, die Ihre Einsatzbereitschaft bestätigt. Es reicht, wenn Sie ihm mündlich versichern, wieder fit zu sein. Im Einzelfall darf Ihr Arbeitgeber aber eine ärztliche Untersuchung anordnen, um Ihren Gesundheitszustand beurteilen zu lassen.