Das deutsche Arbeitsrecht schützt Arbeitnehmer unter anderem vor ungerechtfertigter Kündigung, vor Diskriminierung am Arbeitsplatz und vor Überlastung durch zu lange Arbeitszeiten.
Im Streitfall kann es um sehr viel Geld gehen. So mancher Arbeitnehmer zögert allerdings, das eigene Recht durchzusetzen. Viele fürchten, dass der Arbeitnehmer am längeren Hebel sitzt und sich mithilfe von Staranwälten und guten Kontakten den Sieg vor Gericht erkämpft.
Arbeitnehmer müssten in diesem Fall die Prozesskosten tragen. Die Prozessfinanzierung durch spezielle Dienstleister kann für mehr Chancengleichheit sorgen und Arbeitnehmer vor finanziellen Verlusten schützen. Was sich hinter diesem Konzept verbirgt, erfahren Sie in diesem Artikel.
Was bedeutet Prozessfinanzierung?
Das Arbeitsrecht betreffende Streitfälle fallen unter das Zivilprozessrecht. Dort gilt der Grundsatz, dass die Kosten des Rechtsstreits vom Verlierer getragen werden. Dazu gehören die Gerichtskosten sowie außergerichtliche Kosten, insbesondere die Anwaltskosten der Gegenpartei. Der Kläger hat zudem in Vorleistung zu treten und muss die Gerichtskosten inklusive der Kosten für den eigenen Anwalt verauslagen.
Genau diese Vorleistungspflicht hält viele Arbeitnehmer davon ab, ihre Interessen rechtlich durchzusetzen. Selbst bei guten Aussichten auf einen erfolgreichen Ausgang des Rechtsstreits verzichten viele auf den Gang vor Gericht oder geben sich mit einem Vergleich zufrieden, bei dem sie sich deutlich unter Wert verkaufen.
Können Arbeitnehmer die Kosten eines Rechtsstreits nicht aus eigener Tasche oder über eine Rechtsschutzversicherung decken, besteht allerdings die Möglichkeit, sich an einen Prozessfinanzierer zu wenden. Diese unabhängigen Dienstleister übernehmen das Kostenrisiko des Rechtsstreits. Im Gegenzug erhalten sie bei erfolgreichem Ausgang eine Gewinnbeteiligung. In der Regel liegt diese bei rund 30 Prozent des Streitwerts.
Bei negativem Ausgang trägt der Prozessfinanzierer die Gerichtskosten, die Kosten des eigenen und des gegnerischen Anwalts sowie die Kosten für Zeugen und Sachverständige.
Wer bietet die Prozessfinanzierung für Arbeitnehmer an?
Die Prozessfinanzierung wurde in Deutschland erstmals im Jahr 1998 durch die Foris AG angeboten. In den folgenden Jahren nahmen hauptsächlich große Rechtsschutzversicherungen die Prozessfinanzierung als Zusatzangebot in ihr Leistungsportfolio auf. Ein Großteil der Versicherungen hat sich mittlerweile aber wieder aus diesem Geschäft zurückgezogen. Heute sind es vor allem private Finanzdienstleister, die diesen Service anbieten.
Prozessfinanzierer arbeiten dabei teilweise mit eigenen internen oder externen Anwälten zusammen. Andere Anbieter überlassen es den Mandanten, einen Anwalt ihrer Wahl zu engagieren.
Voraussetzungen für die Prozessfinanzierung
Die Prozessfinanzierung können Sie in Anspruch nehmen, wenn Sie keine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen haben und auch kein Anrecht auf Prozesskostenhilfe besteht.
Weitere Voraussetzungen:
- Mindeststreitwert, Höhe abhängig vom jeweiligen Dienstleister, für gewöhnlich aber 100.000 Euro.
- Der Gerichtsstand befindet sich in Deutschland und deutsches Recht ist anwendbar.
- Der Fall hat überwiegend deutliche Erfolgsaussichten.
- Der Beklagte verfügt über eine gesicherte Bonität.
Vorteile für Arbeitnehmer
Ein großer Vorteil der Prozessfinanzierung: Für den Arbeitnehmer entfällt das finanzielle Risiko, das mit einem Rechtsstreit einhergeht. Die Prozessfinanzierung erzeugt darüber hinaus ein finanzielles Gleichgewicht zwischen dem Arbeitnehmer und dem meist deutlich besser situierten Prozessgegner, dem Arbeitgeber.
Selbst wenn der Arbeitnehmer vor Gericht keinen Erfolg haben sollte, bleibt er liquide. Bei erfolgreichem Ausgang berechnen seriöse Dienstleister lediglich zu zuvor vereinbarte Erfolgsbeteiligung. Weitere Kosten fallen nicht an.
Prozessfinanzierung – der typische Ablauf
Nehmen wir an, Sie möchten gegen eine unberechtigte Kündigung klagen und eine Abfindung erstreiten. Sie haben keine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen und können auch keine Prozesskostenhilfe in Anspruch nehmen. Bleibt der Weg zum Prozessfinanzierer.
Hier ergeben sich zwei Szenarien:
- Der Prozessfinanzierer arbeitet mit internen oder externen Vertragsanwälten zusammen: In diesem Fall schließen Sie nach erfolgreicher Prüfung Ihres Antrags einen Vertrag mit einem vom Prozessfinanzierer gestellten Anwalt ab, der Ihre Vertretung übernimmt. Während der Vertragsdauer dürfen Sie in der Regel keine weiteren Rechtsanwälte oder sonstigen Stellen mit der Durchsetzung Ihrer Belange beauftragen.
- Sie beauftragen einen eigenen Anwalt: Einige Dienstleister gestatten es ihren Klienten, einen Anwalt ihres Vertrauens zu engagieren. Ihr Anwalt kann in diesem Fall auf fachkundige Unterstützung durch den Prozessfinanzierer zurückgreifen.
Der weitere Ablauf der Prozessfinanzierung gestaltet sich in beiden Fällen ähnlich. Mit Ihrem Antrag lassen Sie dem Prozessfinanzierer alle Unterlagen zukommen, die im Zusammenhang mit dem Verfahren stehen. Nach eingehender Prüfung der Voraussetzungen, der Erfolgsaussichten und der Bonität des Beklagten erhalten Sie einen Vertrag. Dieser dient gleichzeitig als Finanzierungszusage. Der Dienstleister übernimmt nun sämtliche Prozesskosten sowie das Verlustrisiko und geht in Vorleistung für Gerichts- und Anwaltskosten. Damit kann das Verfahren beginnen.
Damit Ihr Rechtsanwalt und der Prozessfinanzierer Informationen austauschen können, müssen Sie Ihren Anwalt ausdrücklich von der Pflicht zur Verschwiegenheit entbinden (§ 43a Abs. 2 BRAO). Weiterhin unterliegen Sie der Pflicht, Ihren Anwalt sowie den Prozessfinanzierer unverzüglich alle neuen Informationen und Dokumente zum Verfahren zur Verfügung zu stellen.
Nach erfolgreich beschiedenem Verfahren erhalten Sie z.B. eine Abfindung in Höhe von 250.000 Euro. Mit dem Prozessfinanzierer haben Sie zuvor eine Gewinnbeteiligung in Höhe von 30 Prozent vereinbart. Der Dienstleister erhält also 75.000 Euro, die restlichen 175.000 Euro gehen an Sie.
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