Arbeitszeitmodell: Teilzeit für alle?

Je mehr wir arbeiten, desto produktiver sind wir? Das glauben nicht nur viele Arbeitgeber, sondern auch ein großer Teil der Arbeitnehmer. Im Schnitt arbeiten Deutsche 45 Stunden in der Woche, die Zahl der Überstunden nimmt immer weiter zu. Dabei können überlange Arbeitszeiten krank machen und das Unfallrisiko rapide erhöhen. Immer noch ist eine Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit in Deutschland Frauensache: Laut der Hans-Böckler-Stiftung arbeiteten im Jahr 2015 rund 70 Prozent der Frauen, die mit Kindern im Haushalt leben, Teilzeit. Dagegen reduzierten nur sechs Prozent der Männer die Zeit im Job. Warum nicht Teilzeit für alle? Für Männer und Frauen? Dann könnten beide Beruf und Familie oder Privatleben besser vereinbaren, niemand müsste mehr Angst vor einem Karriereknick haben, und um die Gesundheit der Deutschen wäre es vielleicht besser bestellt.

Die Rechtslage

Ein Recht auf Teilzeitbeschäftigung haben nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) alle Arbeitnehmer, die seit mindestens einem halben Jahr in einer Firma mit mehr als 15 Beschäftigten beschäftigt sind. Teilzeitangestellte dürfen in Bezug auf die Bezahlung, Aufstiegsmöglichkeiten oder Weiterbildungen nicht benachteiligt werden. Der Teilzeitwunsch kann allerdings abgelehnt werden, wenn betriebliche Gründe dagegen sprechen, etwa dann, wenn Arbeitsabläufe gefährdet wären. Wer seine Arbeitszeit verkürzen möchte, muss dies spätestens drei Monate vorher ankündigen. Am besten sollte er die Schriftform wählen, um die Arbeitszeitverringerung zu beantragen und in seinem Schreiben darstellen, wie er seine Zeit einteilen möchte. Stimmt der Vorgesetzte zu, darf dieser nicht einseitig festlegen, wann gearbeitet werden muss. Einen Anspruch darauf, später wieder Vollzeit zu arbeiten, gibt es nicht.

Mehr Zeit macht glücklich(er)

Teilzeit ist nur etwas für Mütter, Wiedereinsteigerinnen oder ältere Arbeitnehmer, die in Altersteilzeit gehen? Das ist entschieden zu kurz gedacht. Gründe dafür, nicht an fünf Tagen pro Woche je acht Stunden im Büro sitzen zu wollen, gibt es viele. In erster Linie ist es der Wunsch nach mehr Zeit – für sich selbst, für Kinder oder andere Angehörige, für Ehrenämter oder Hobbies, um zu lernen oder zu reisen. Um einfach zu leben. Denn Zeit ist eine der wertvollsten Ressourcen, die jeder von uns hat. Wenn wir Erholung, wertvolle Erlebnisse oder andere Dinge, die uns wichtig sind, immer weiter nach hinten schieben, kann es schon zu spät sein.

Die Niederländer gehören laut Zufriedenheits-Studien zu den glücklichsten Nationen der Welt. Laut Soziologen ist einer der Gründe dafür, dass sie nicht so viel arbeiten. Denn keine andere Industrienation hat eine so hohe Teilzeitquote wie unsere Nachbarn: Während EU-weit nur ein Fünftel der Arbeitnehmer einen Teilzeitjob hat (Männer 8,7 Prozent, Frauen 32,2 Prozent), sind in den Niederlanden 26,8 Prozent der Teilzeitbeschäftigten Männer und 76,6 Prozent Frauen.

Familie, Beruf und Gerechtigkeit

Sobald das erste Kind kommt, hören in Deutschland meist Frauen entweder ganz auf zu arbeiten oder sie gehen nach der Elternzeit in Teilzeit. Währenddessen machen Väter Karriere in Vollzeitbeschäftigung. Je länger es bei dieser Aufteilung bleibt, desto unumkehrbarer ist das Modell, denn Teilzeit bedeutet in der Regel eine finanzielle Sackgasse, Karriere ist selten möglich. Die Arbeitswelt orientiert sich nach wie vor zu großen Teilen an einem traditionellen Rollenbild, bei dem der Vater für das Einkommen und die Mutter für die Versorgung der Kinder zuständig ist.

Wäre Teilzeit hingegen keine reine Frauensache mehr, sondern auch für Männer ein normales Arbeitszeitmodell, könnte die Arbeitswelt sich flexibel an den Wünschen von Familien orientieren. Eine Anstellung in Teilzeit für alle könnte bedeuten, dass mal der Vater, mal die Mutter weniger und der jeweils andere Vollzeit arbeitet, oder dass beide ihre Arbeitszeit reduzieren. Das Recht auf Teilzeit ließe sich neu ausgestalten, indem zum Beispiel ein Anspruch auf Rückkehr in einen Vollzeitjob gewährt wird. Die Arbeitszeit an die jeweilige Lebenssituation anzupassen, könnten Lebensarbeitszeitkonten möglich machen. Dabei wird mehr gearbeitet, wenn (noch) keine Kinder vorhanden oder diese bereits älter sind. In Zeiten mit kleineren Kindern oder etwa bei der Pflege der eigenen Eltern ließe sich problemlos weniger arbeiten.

Wenn sich Väter verstärkt der Familie widmen, werden mehr Frauen in den Arbeitsmarkt kommen und den Fachkräftemangel auffangen. In den letzten Monaten wurden Vorschläge aus der Politik diskutiert, die eine Regelarbeitszeit von 32 Wochenarbeitsstunden für Mütter und Väter oder sogar für alle Arbeitnehmer vorsieht. Ergebnisse gab es allerdings noch nicht; die große Koalition will lediglich das im Koalitionsvertrag vorgesehene Elterngeld Plus weiter umsetzen und den Ausbau der Betreuungsplätze voranbringen. Dabei kann die Teilzeitarbeit, wie sie heute stattfindet, auch den Staat teuer zu stehen kommen, da das Scheidungsrecht keinen lebenslangen Unterhalt mehr für geschiedene Ehepartner garantiert.

Unterschiedliche Teilzeitmodelle und einen Teilzeit-Netto-Rechner finden Sie auf den Seiten des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales.

Ist Teilzeit für alle eine realistische Option, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu fördern sowie den Fachkräftemangel aufzuhalten? Ich freue mich auf Ihre Meinung.

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Coffice – Arbeiten im öffentlichen Büro. Ein Selbstversuch

Wer weder Platz für ein Arbeitszimmer zu Hause hat noch ein eigenes Büro anmieten will, kann in vielen Städten auch so genannte Coworking Spaces nutzen. Dort kann man Arbeitsplätze in unterschiedlicher Ausstattung auf Zeit mieten.  Ich habe mich einmal aus  meinem Büro herausgewagt, um zwei Varianten auszuprobieren.

Büroplatz samt Community-Feeling

Der hippe Freiberufler, der in den Medien oder der IT arbeitet, hat sein Büro immer unter dem Arm geklemmt und kann überall arbeiten, wo er ein WLAN-Netz hat – bevorzugt im „Coffice“, einem von Gleichgesinnten frequentierten Café wie dem „St. Oberholz“ in Berlin Mitte. So wird die digitale Boheme zumindest gerne dargestellt. Doch der Alltag ist wesentlich nüchterner. Da nutzen aufstrebende ITler oder Texter meistens einen „Coworking Space“. Die Anbieter solcher flexibler Bürogemeinschaften locken gerne mit der hippen Loft-Atmosphäre der New Economy.

Coworking Space im Betahouse in Hamburg

Um solch eine Bürogemeinschaft einmal selbst zu testen und meinen Coffice, bzw. Coworking Space-Selbstversuch zu starten, habe ich mir das Betahouse in Hamburg ausgesucht. Gleich nach dem Betreten, stehe ich gleich mitten im Gemeinschaftsraum mit Café-Theke und langem Tisch. Auf der großen Tafel über dem Tresen stehen nicht nur die Preise für Getränke und Snacks sondern auch die Zugangsdaten fürs WLAN-Netz und der Druckername. Rechts ist ein großes Gemeinschaftsbüro mit Tischen ohne weitere Ausstattung.

Habe ich einen Monatsbeitrag von zehn Euro und mindestens ein Tagesticket (17 Euro) bezahlt, kann ich mich hier mit meinem Notebook loswerkeln. Von neun Uhr morgens bis 19 Uhr abends, wann immer ich will. Zu voll sei es nie, versichert mir eine Mitarbeiterin. Will ich am Wochenende oder nachts arbeiten, muss ich den Schlüssel als Extra buchen – für 40 Euro im Monat. Weitere Extras sind Postfach (40 Euro) und der Konferenzraums, der für fünf Stunden im Monat ebenfalls 40 Euro kostet.

Links ist der Raum mit den festen Arbeitsplätzen. Der sieht weniger aufgeräumt, dafür aber viel mehr nach Arbeit aus. Denn die meisten Mieter haben ihre eigenen Computer aufgebaut, neben denen sich schon mal Aktenberge türmen.

Ich lasse mich im Gemeinschaftsbüro nieder. Es sind noch zwei weitere Plätze besetzt. Am langen Tisch im Gemeinschaftsraum sitzt ein Kunde und isst sein Mittagessen. Es ist sehr ruhig und vom auf der Internet-Seite angepriesenen Netzwerk- und Community-Feeling nicht viel zu spüren. Das sei oft ganz anders, versichert mir die Mitarbeiterin – gerade bei den wöchentlich stattfinden Frühstücks- und Lunchveranstaltungen ginge es viel reger zu.

Der Lilienhof: Virtuelles Büro samt Firmenschild

Das Lilienhof Coworking Office in der Hamburger Innenstadt spricht eher Freiberufler und Unternehmen an, die die Start-up-Phase bereits hinter sich gelassen haben. Auch hier gibt es Tages-Arbeitsplätze im Gemeinschaftsbüro, doch als ich für meinen Probetag einchecke, legt man mir gleich umfangreichere Pakete nahe. Möglich wäre sogar ein virtuelles Büro, das mir eine repräsentative Firmenadresse samt Firmenschild bieten würde. Für rund 100 Euro im Monat fast ein Schnäppchen.

Hier geht‘s wesentlich förmlicher zu. Man wird gesiezt, der Empfangsbereich sieht wie in einem Unternehmen mittlerer Größe aus. Auch das Service-Angebot ist umfangreicher: Für den Konferenzraum kann ich Beamer und Getränke buchen. Der Lilienhof hat eine eigene IT-Abteilung und es gibt einen Sekretariatsservice, der meine Anrufe entgegennehmen und meine Korrespondenz erledigen würde. Man kann auch ein eigenes, abschließbares Büro für rund 1000 Euro im Monat anmieten.

Fazit

Wer erst  in die Selbstständigkeit startet und noch an seiner Geschäftsidee feilt, ist im Betahaus gut aufgehoben – schon aus Kostengründen. Wer aber schon einen Kundenstamm hat und auch schon mal repräsentativ auftreten muss, sollte den Schritt zu einem Anbieter wie Lilienhof machen.

 

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