Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz

Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist leider keine Seltenheit. Wie eine Statistik der Antidiskriminierungsstelle des Bundes aus dem Jahr 2015 zeigt, haben mehr als 50 Prozent aller Beschäftigten bereits sexuelle Übergriffe auf der Arbeit erlebt oder waren Zeuge davon. Die meisten Betroffenen sind Frauen, doch auch Männer können Opfer von anzüglichen Bemerkungen und Berührungen werden. Dieser Artikel zeigt, wie man sich wehren kann.

Sexuelle Belästigung im Arbeitsrecht

Bei sexueller Belästigung am Arbeitsplatz handelt es sich um eine Straftat. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) gibt vor, dass Arbeitgeber ihre Beschäftigten vor sexuellen Übergriffen zu schützen haben (§ 12 AGG). Das kann zum Beispiel durch eine Abmahnung, aber auch durch die Kündigung des Täters bzw. der Täterin geschehen.

Zusätzlich zu den arbeitsrechtlichen Konsequenzen kann die sexuelle Belästigung strafrechtliche Folgen haben. Das Strafgesetzbuch sieht für sexuelle Belästigung eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe vor (§ 18i, Absatz 1 StGB). Strafrechtlich verfolgt wird die Tat allerdings nur, wenn die Betroffenen sie zur Anzeige bringen.

Kein harmloser Flirt – sexuelle Belästigung als Machtdemonstration

Was eigentlich unter sexueller Belästigung am Arbeitsplatz zu verstehen ist, definiert § 3 Absatz 4 AGG: Sexuelle Belästigung umfasst demnach ein „unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten“, das die Würde der betreffenden Person verletzt.

Ein solches Verhalten kann viele Formen annehmen:

  • Verbale Übergriffe wie sexuelle Anspielungen und obszöne Bemerkungen.
  • Körperliche Übergriffe wie unerwünschte Berührungen.
  • Non-verbale Übergriffe wie anzügliche Blicke, das Versenden von E-Mails oder SMS mit sexuellem Inhalt oder die Verbreitung von pornografischem Material am Arbeitsplatz.

Betroffenen wird häufig vorgehalten, dass sie das Geschehen zu ernst nehmen oder einen harmlosen Flirt falsch interpretieren. Die Grenze zwischen einem Flirtversuch und einem sexuellen Übergriff kann tatsächlich schmal sein. Der wesentliche Unterschied: Ein Flirt geschieht in beiderseitigem Einverständnis. Bei sexueller Belästigung fehlt dieses Einverständnis. Die Betroffenen fühlen sich erniedrigt und beschämt.

Die Übergriffe verfolgen meist nicht das Ziel, tatsächlich mit den Betroffenen anzubandeln. Vielmehr handelt es sich bei sexueller Belästigung um eine Machtdemonstration, bei der die Autorität der anderen Person untergraben wird.

Wie setzen Sie sich gegen sexuelle Belästigung zur Wehr?

Vielen Betroffenen fällt es schwer, über sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz zu sprechen. Sie schämen sich oder akzeptieren das Geschehen aus Gewohnheit. Eventuell fragen sie sich sogar, ob sie überreagieren und das als anzüglich empfundene Verhalten falsch deuten.

Wer sich am Arbeitsplatz sexuell belästigt fühlt, muss dies jedoch nicht hinnehmen. In akuten Situationen sollten Sie zunächst die andere Person darauf hinweisen, dass Sie sich belästigt fühlen. Hält die Belästigung an, können Sie von drei Rechten Gebrauch machen:

  1. Beschwerderecht (§ 13 AGG): Betroffene haben das Recht, die sexuelle Belästigung bei einer Beschwerdestelle oder dem Betriebsrat im Unternehmen zu melden. Gibt es eine solche Stelle nicht, können sie sich direkt an den Arbeitgeber wenden. Wie beschrieben, muss dieser eingreifen und Beschäftigte vor sexueller Belästigung schützen.
  2. Leistungsverweigerungsrecht (§ 14 AGG): Unternimmt der Vorgesetzte nichts, können Betroffene die Arbeitsleistung verweigern.
  3. Entschädigung und Schadensersatz (§ 15 AGG): Kommt der Arbeitgeber seinen Verpflichtungen nicht im ausreichenden Maße nach, können Betroffene gegebenenfalls Schadensersatzansprüche geltend machen.

Wichtig zu wissen: Betroffene müssen sich nicht an bestimmte Fristen halten, um eine sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz zu melden. Eine frühzeitige Meldung ist jedoch von Vorteil, vor allem, wenn es um eventuelle Schadensersatzansprüche geht.

Konsequenzen für Täter

Nehmen Sie sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz also nicht einfach hin, sondern melden Sie die Vorfälle bei der dafür zuständigen Stelle oder direkt beim Vorgesetzten. Arbeitgeber müssen die Täter zumindest abmahnen.

Sexuelle Belästigung kann allerdings auch ein Grund für eine sofortige fristlose Kündigung sein, selbst bei langjährigen Beschäftigten. Das hat das Landesarbeitsgericht Köln entschieden (Az.: 4 Sa 644/19). Im verhandelten Fall hatte ein Mann zunächst einer Kollegin und dann sich selbst in den Schritt gefasst und anzügliche Bemerkungen gemacht. Die Beschäftigte meldete den Vorfall einige Monate später bei der Personalleiterin, dem Mann wurde gekündigt – zurecht, wie das Kölner Gericht feststellte.

Berührungen müssen nicht sexuell motiviert sein, um als sexuelle Belästigung zu gelten. Das geht aus einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 2017 hervor (Az.: 2 AZR 302/16). Bei der Berührung primärer oder sekundärer Geschlechtsmerkmale handelt es sich demnach immer um einen sexuell bestimmten Eingriff in die Intimsphäre. Im vorliegenden Fall hatte ein Mann einem Fremdfirmenmitarbeiter schmerzhaft zwischen die Beine gegriffen. Die Firma kündigte das Arbeitsverhältnis fristlos. Der Mann legte Klage gegen die Kündigung ein. Das BAG erklärte die Kündigung allerdings für rechtens.

Außerbetriebliche Anlaufstellen bei sexueller Belästigung

Finden Betroffene am Arbeitsplatz keine Hilfe oder geht die Belästigung gar vom Vorgesetzten aus, stehen diverse andere Anlaufstellen zur Verfügung.

Die Antidiskriminierungsstelle bietet zwei Hilfetelefone an:

  • Das Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen (hilfetelefon.de), Tel-Nummer: 0800 – 0116 016
  • Die allgemeine Hilfe- und Beratungsstelle, Tel-Nummer: 0800 – 546 546 5

In anhaltenden Fällen von sexueller Belästigung kann es zudem empfehlenswert sein, sich an einen Anwalt für Arbeitsrecht zu wenden.

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