Hat mich der Kollege nach meiner Rede skeptisch angeschaut? Hätte ich den Vertrag lieber noch ein viertes Mal durchlesen sollen? Oder: Habe ich einen merkwürdigen Unterton beim Gespräch mit dem Chef herausgehört und wollte er mich etwa kritisieren? Wer sich über jede Kleinigkeit Gedanken macht und permanent grübelt, der hat es im Job unnötig schwer. Dieses Verhalten hat einen Namen: Overthinking. Wir erklären, wie sich das negative Gedankenkarussell am Arbeitsplatz äußert und mit welchen Tipps es sich abstellen lässt.
Überdenken? Das bedeutet Overthinking
Zu viel über etwas nachdenken – so lautet die wortwörtliche Übersetzung des englischen Begriffs „to overthink something“. Und tatsächlich ist es vor allem das „Zuviel des Guten“, das Overthinking vom Nachdenken unterscheidet. Denn natürlich gehören gedankliche Denk- und Analyseprozesse bei vielen Menschen zum beruflichen Alltag dazu: Wir machen uns Gedanken über Entscheidungen und wägen das Für und Wider ab, um neue Erkenntnisse zu gewinnen und Lösungen zu finden. Auch das kritische Hinterfragen der eigenen Meinung gehört dazu.
Das „normale“ Maß des Nachdenkens ist immer dann überschritten, wenn die eigenen Grübeleien überhandnehmen und mehr Raum als nötig einnehmen. Ist man durch das ständige Gedankenkarussell so beeinträchtigt, dass die tägliche Arbeit nicht mehr richtig ausgeübt werden kann und empfinden die Betroffenen einen Leidensdruck, dann spricht man von Overthinking.
Bin ich ein Dauergrübler? Typische Merkmale beim Overthinking
Folgende Merkmale sind typisch für Menschen, die sich in Dauergrübeleien verlieren:
Worst-Case-Szenarien
Ein finanzieller Verlust? Oder gar die Kündigung, vielleicht auch der Neid der Kollegen? Geht es vielleicht sogar noch schlimmer? Menschen, die an Overthinking leiden, spielen gedanklich sämtliche (in der Regel höchst unwahrscheinliche) Worst-Case-Szenarien für die unterschiedlichsten Situationen durch.
Sorgen in allen Bereichen
Es betrifft in aller Regel nicht einzelne Fragestellungen und Aspekte, über die man nachgrübelt. Meist sehen Overthinker überall Probleme und riesige Herausforderungen. Es fällt ihnen zudem schwer, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden.
langwierige Entscheidungen
Soll ich oder soll ich nicht? Und was ist mit Aspekt A und wie kann ich Punkt B möglichst auch berücksichtigen? Um eine Entscheidung zu treffen, werden sämtliche Eventualitäten mehr als einmal bis ins Detail abgewogen. Am Ende fragt man lieber andere Personen, bevor man selbst A oder B sagt.
Entscheidungen hinterfragen
Eine getroffene Entscheidung wird nicht als diese akzeptiert, sondern weiterhin hinterfragt: War das richtig? Hätte ich nicht lieber, die oder die Wahl treffen sollen?
negative Gedanken
Positive Aspekte müssen diese Menschen mit der Lupe suchen. In ihrem Fokus sind vielmehr alle negativen Dinge, die bereits eingetreten sind oder eintreten könnten.
fehlende Kontrolle
Overthinking lässt sich nicht auf Knopfdruck abstellen. Dementsprechend nehmen diese Personen ihre Grübeleien mit in das Privatleben: Es fällt ihnen schwer, abzuschalten und den Kopf freizubekommen.
Die Konsequenzen: Das passiert, wenn man zu viel grübelt
Wer sich ständig nur mit dem Wenn und Aber beschäftigt und jede Kleinigkeit einer aufwendigen gedanklichen Analyse unterzieht, sollte sich nicht über negative Konsequenzen wundern. So kann die eigene Produktivität unter dem Overthinking leiden. Wer zu viel nachdenkt, blockiert sich schließlich selbst. Auch die Einstellung und Meinung von Kollegen, Kunden und den Vorgesetzten kann dieses Verhalten negativ beeinflussen. Während in einem schleichenden Prozess die eigene Karriere auf der Strecke bleibt, steigert sich die persönliche Unzufriedenheit mehr und mehr. Mögliche Folgen daraus sind Lethargie, Leidensdruck und in schlimmeren Fällen sogar der Jobverlust und Depressionen.
Die Gedankenschleife durchbrechen: Tipps, um Overthinking zu stoppen
Auf Knopfdruck funktioniert es leider nicht, das Gedankenkarussell und die eigentlich ungewollten Grübeleien einfach abzustellen. Wer betroffen ist und etwas ändern möchte, kann jedoch aktiv dazu beitragen, Overthinking zu vermeiden. Hier einige Tipps:
Positives sammeln
Um die eigenen Gedanken in eine andere Richtung zu lenken, überlegt man am Ende des Tages, welche drei schönen Erlebnisse es gab: Das können auch scheinbare Banalitäten, wie schönes Wetter oder ein Lächeln des Verkäufers an der Supermarktkasse sein.
aktiv ablenken
Bei wem tagtäglich die Gedanken um vergangene und künftige Probleme kreisen, der nutzt die freie Zeit lieber effektiver. Sich sportlich zu betätigen, zu meditieren, zu lesen oder zu kochen sind mögliche Aktivitäten, die für Ablenkung sorgen und dazu beitragen, den Kopf freizubekommen.
Gedanken aufschreiben
Wenn die Gedankenspirale partout nicht enden will, dann schreiben Sie doch regelmäßig alles auf, was Ihnen im Kopf herumschwirrt. Einmal zu Papier gebracht, dürfen die Probleme und Sorgen dann getrost und mit gutem Gewissen aus den Gedanken gelöscht werden.
Zeitlimit setzen
Wer zu Grübeleien neigt, der kann sich von vornherein ein Tages-Zeitlimit setzen. Wer bewusst (und bestenfalls sogar mit Stoppuhr) nach fünf oder zehn Minuten aufhört, sich Gedanken zu machen, ist in der Regel von vornherein lösungsorientierter.
Stopp sagen
Dieser Tipp klingt fast schon zu banal, um auch zu funktionieren: Tatsächlich ist es aber sehr effektiv, einfach mal laut zu sich selbst „Stopp!“ zu sagen, wenn die Gedanken einfach nicht aufhören wollen in die „falsche“ Richtung zu driften.
Gedanken teilen
Nach dem Motto „Reden hilft“ kann es sich lohnen, mit anderen über das zu sprechen, was beschäftigt. Freunde und Familie sind hier meist gute Ansprechpartner. Dabei ist es nicht unbedingt nötig, dass die Personen eine Lösung parat haben. Häufig reicht es bereits aus, Dinge laut auszusprechen.
Entscheidungssituationen vermeiden
Wem es grundsätzlich schwerfällt, Entscheidungen zu treffen, der setzt sich bestenfalls nicht tagtäglich neuen aus, sondern schafft möglichst viele Routinen. So sollte sich beispielsweise gar nicht erst die Frage stellen, ob man mit dem Auto oder mit dem Bus fährt oder ob man sich das Mittagessen mitnimmt oder in der Kantine isst.
Einstellung anpassen
Dieser Tipp ist leichter gesagt als getan: Aber man darf sich auch gerne selbst mal loben und akzeptieren, dass Fehler hin und wieder einfach passieren und ganz normal sind. Die eigene Einstellung hat einen großen Einfluss auf unsere Gedanken und kann sie auch in eine positive Richtung lenken.
Worst Case relativieren
„Dir wird schon nicht der Kopf abgerissen!“ Diesen Spruch werden die meisten Menschen schon einmal gehört haben und tatsächlich ist auch mehr als nur ein Fünkchen Wahrheit daran. Denn wer ehrlich zu sich selbst ist, wird feststellen, dass selbst das Worst-Case-Szenario in der Regel nicht so schlimm ist. Denn mal ehrlich: Wie realistisch ist es beispielsweise, seinen Job durch ein falsches Wort oder einen kleinen Fehler zu verlieren?
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