Oft fängt es harmlos an: Der Vorgesetzte macht unpassende Bemerkungen im Meeting, grüßt nicht mehr oder gibt Ihnen nur noch Aufgaben, die sonst niemand machen will. Was am Anfang noch wie Zufall wirkt, entwickelt sich mehr und mehr zu gezielter Schikane. Zu den typischen Anzeichen von Mobbing gehören degradieren, intrigieren und drangsalieren. Im Kollegenkreis schon sehr unangenehm, wird es besonders hässlich, wenn der Psychoterror vom Chef ausgeht. Diese Variante des Mobbings heißt Bossing und macht die Arbeit für den Betroffenen kaum aushaltbar. Und genau das ist oftmals das Ziel: Der Mitarbeiter wird systematisch eingeschüchtert und soll dazu gebracht werden, selbst zu kündigen oder einem Aufhebungsvertrag zuzustimmen. Das betrifft oft unkündbare Mitarbeiter oder solche mit einem besonderen Kündigungsschutz. Damit es gar nicht erst so weit kommt, habe ich zusammengestellt, wie Sie Bossing frühzeitig erkennen und was Sie dagegen unternehmen können.
Bossing erkennen
Die spezielle Form des Mobbings findet ausschließlich zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter statt. Das Opfer ist dem Mobbenden also hierarchisch untergeordnet und hat nicht denselben „Machtapparat“, um sich zu wehren. Maßgeblich sind außerdem folgende Punkte: Die Schikanen erfolgen systematisch, zielgerichtet und wiederholt über einen längeren Zeitraum. Zu den typischen Bossinghandlungen gehören etwa die Anordnung sinnloser oder nicht zu bewältigender Tätigkeiten, öffentliche unsachliche Kritik bis hin zum Lächerlichmachen, Unterstellungen oder eine Verleumdung des Mitarbeiters, die wiederholte Ausgrenzung aus einem Team oder der gezielte Entzug von Informationen oder Privilegien. Sämtliche Handlungen zielen nicht auf eine friedliche Einigung ab.
Bossing am Arbeitsplatz hat ähnliche Effekte wie Mobbing: Das Opfer wird psychisch demontiert und verunsichert. Das führt zu einem Abbau von Selbstbewusstsein. Schlussendlich kann Bossing am Arbeitsplatz zu Depressionen, Burn-out und sogar Suizidgedanken führen.
Was löst Bossing aus?
Schikaniert ein Vorgesetzter einen Mitarbeiter systematisch, spricht das nicht für eine starke Persönlichkeit. Ein Chef, der so handelt, ist meist unsicher und verfügt über ein geringes Selbstbewusstsein. Oft fühlt er sich einem Mitarbeiter, der mehr Stärke ausstrahlt, fachlich unterlegen oder persönlich minderwertig und dadurch von diesem bedroht. Er neigt dazu, diese Unsicherheit zu kompensieren, indem er den Mitarbeiter erniedrigt, oder überspielt seine Führungsunsicherheit durch übertriebene Härte. Nicht selten ist Bossing auch ein Resultat des immer stärkeren wirtschaftlichen Drucks, dem Führungskräfte ausgesetzt sind.
Wie kann sich ein Betroffener wehren?
Meist machen Bossingopfer sich zuerst bei Kollegen Luft oder suchen sich Verbündete. Doch dadurch eskaliert die Situation häufig nur stärker. Arbeitsrechtsexperten raten stattdessen, sofort ein Gespräch unter vier Augen mit dem Vorgesetzten zu suchen. Dabei sind Vorwürfe fehl am Platz, besser sind zurückhaltende und vorsichtige Formulierungen, etwa „In letzter Zeit gab es einige Situationen, die mich irritiert haben.“ Nennen Sie konkrete Beispiele und fragen Sie, was der Grund dafür ist, dass sich das Arbeitsklima so geändert hat. So hat Ihr Vorgesetzter die Möglichkeit zu sagen, was genau ihn stört. Vielleicht können Sie zusammen herausarbeiten, wie es in Zukunft weitergehen soll. Bringt ein Gespräch unter vier Augen keinerlei Verbesserung, sollten Sie sich Hilfe bei kompetenten Ansprechpartnern suchen, zum Beispiel beim Betriebsrat oder der Gewerkschaft. Kommen Sie immer noch nicht weiter, bleibt meist nur noch die Kündigung oder der Gang vor Gericht, um Schadenersatz und Schmerzensgeld einzuklagen.
Zusätzlich sollten Sie eine Mobbing-Beratungsstelle aufsuchen. Hier können Betroffene mit einem Psychologen sprechen. Oft werden Supervisionen oder Mediationen mit dem Mitarbeiter und dem Vorgesetzten angeboten. Die Beratungsstellen arbeiten außerdem mit Anwälten zusammen, die mit Rechtshilfe Beistand leisten. Eine nach Bundesländern sortierte Übersicht über Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen finden Sie hier.
Die rechtliche Lage
Ein expliziter Schutz existiert leider nicht, denn Bossing bzw. Mobbing an sich ist kein Straftatbestand. Dennoch können die im Rahmen der Schikane vorgenommenen Handlungen strafrechtlich relevant sein, etwa Verleumdungen oder Beleidigungen. Der Arbeitgeber besitzt gegenüber seinen Mitarbeitern eine Fürsorgepflicht. Somit hat jeder Arbeitnehmer ein Recht auf den Schutz seines Persönlichkeitsrechtes.
Ist dem Arbeitgeber eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts nachzuweisen, und resultieren daraus sogar Gesundheitsschäden für den Betroffenen, hat dieser einen Schadensersatzanspruch nach § 823 BGB. Für den Nachweis sollten Sie unbedingt ein detailliertes Mobbing-Tagebuch führen. In diese Dokumentation gehören die jeweiligen Situationen mit Uhrzeit. Gibt es Zeugen für die Mobbing-Situation, vermerken Sie diese ebenfalls. Wichtig sind außerdem Ihre jeweiligen Reaktionen, zum Beispiel Angstzustände, Schweißausbrüche, Herzrasen oder Kopfschmerzen. Das Tagebuch dient bei einer möglichen Gerichtsverhandlung als Beweismittel.
Haben Sie Erfahrungen mit dieser speziellen Art des Mobbings gemacht? Ich freue mich, wenn Sie Ihre Erfahrungen teilen und Tipps für andere Betroffene haben.
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