Job-Identität

Sich mit seinem Job zu identifizieren, ist zunächst einmal positiv. Wer seinen Beruf als einen Teil seiner selbst sieht, findet in der Arbeit Sinn, geht motivierter zu Werk und erbringt für gewöhnlich bessere Leistungen. Eine zu starke Identifikation mit dem Beruf kann sich allerdings negativ auf die Gesundheit auswirken.

Welche Folgen die Überidentifikation haben kann und wie Sie diese vermeiden, erfahren Sie im folgenden Artikel.

Identität und Identifikation kurz erklärt

Der Begriff Identität geht auf das lateinische „idem“ (eben der, derselbe) zurück und bezeichnet in der Psychologie das „Selbst“, die erlebte innere Einheit einer Person. Der Begriff der Identifikation verknüpft das Selbst mit dem Verb „facere“, was so viel wie „machen“ bedeutet. Sich mit einer anderen Person oder einer Sache zu identifizieren bedeutet also, sich zu eben dieser Person oder Sache zu machen, das eigene Selbst mit ihr gleichzusetzen.

Die Psychologie unterscheidet verschiedene Formen der Identifikation:

  • Primäre Identifikation: die in der frühen Kindheit stattfindende Identifikation mit den wichtigsten Bezugspersonen, i.d.R. den Eltern.
  • Soziale Identifikation: Identifikation mit einer sozialen Gruppe oder Kategorie, zum Beispiel mit einem Geschlecht, einer Religion oder einer Nationalität. Auch die Identifikation mit einem Berufsstand fällt in diesen Bereich.
  • Kulturelle Identifikation: Identifikation mit einer bestimmten Kultur oder Gesellschaft, ihren Normen, Wertvorstellungen und Traditionen.
  • Identifikation mit Vorbildern: bezieht sich auf die Identifikation mit berühmten Persönlichkeiten oder fiktiven Figuren, die ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Persönlichkeitsentwicklung spielen kann.

Identifikation mit dem Job: Grundsätzlich wünschenswert

Grundsätzlich ist es für Unternehmen wünschenswert, dass sich Mitarbeitende mit ihrem Job identifizieren. Der Kerngedanke dahinter: Eine starke Identifikation steigert die Motivation. Begreifen die Beschäftigten ihre Arbeit als einen Teil ihrer selbst und gehen eine emotionale Bindung zu ihrem Arbeitgeber ein, erbringen sie bessere Leistungen. Sie sind einsatzbereiter, zeigen mehr Eigeninitiative, optimieren Prozesse und pflegen Kundenbeziehungen.

Studien bestätigen den positiven Einfluss der Identifikation mit dem Job auf die Motivation. Weitere Untersuchungen zeigen, dass auch ein positiver Zusammenhang zwischen der Identifikation mit dem Beruf und verschiedenen Gesundheitsindikatoren besteht.

Wer sich mit seinem Beruf und seinem Unternehmen identifiziert, fühlt sich demnach seltener gestresst, ist weniger krank und seltener von Burn-out betroffen. Die Ursache: Mitarbeitender mit starker Unternehmensidentifikation nehmen stressige Situationen als weniger belastend wahr und fühlen sich besser unterstützt.

Überidentifikation mit dem Beruf kann gefährlich werden

Wird die Identifikation mit dem Job zu stark, können die positiven Auswirkungen allerdings ins Negative kippen. Davor warnt zum Beispiel die US-amerikanische Arbeitsökonomin Samantha Conroy von der Colorado States University. In ihren Studien findet sie Hinweise, dass eine zu starke Identifikation mit dem Unternehmen schädlich bis gefährlich sein kann.

Conroys Erkenntnisse: Sehen Mitarbeitende ihr Unternehmen zu positiv, seien sie in dessen eingefahrenen Strukturen gefangen und versuchen nicht mehr, Arbeitsabläufe zu verbessern. Innovatives und kritisches Denken gingen auf diese Weise verloren. Überidentifikation führt laut Conroy weiterhin dazu, dass sich die Beschäftigten nur schwer auf Veränderungen einstellen können. Auf Dauer kann das die Firma lähmen.

Eine Studie der Goethe-Universität Frankfurt in Zusammenarbeit mit der Groß & Cie. GmbH stellt außerdem einen Zusammenhang zwischen einer sehr starken Identifikation mit dem Job und Arbeitssucht fest. Überidentifikation hat zur Folge, dass Beschäftigte länger arbeiten und auch in ihrer Freizeit entweder ständig an den Job denken oder sogar durchgängig für ihren Arbeitgeber erreichbar sind. Sie können nicht mehr abschalten und arbeiten schließlich bis zum Burn-out.

So schützen Sie sich vor Überidentifikation mit dem Job

Vor Überidentifikation mit dem Job und einer damit in Verbindung stehenden Selbstausbeutung können Sie sich schützen. Eine der wichtigsten Maßnahmen lautet, sich persönliche Ziele zu setzen, die nichts mit Ihrem Beruf zu tun haben.

Überlegen Sie, was Sie außerhalb Ihrer Karriere im Leben erreichen möchten. Dazu gehören sowohl langfristige Ziele wie eine erfüllte Partnerschaft als auch kurzfristige Tagesziele wie „Ich möchte heute meine Kochkünste verbessern“ oder „Ich möchte einen ruhigen Abend mit der Familie verbringen“. Mithilfe dieser Zielsetzungen schaffen Sie die nötige Distanz zum Job und geben sich Raum, Ihre eigenen Stärken zu entfalten.

Weiterhin sollten Sie im Alltag auf einen Wechsel von Spannung und Entspannung achten. Legen Sie Zeiträume fest, in denen Sie ganz bewusst abschalten – und zwar wörtlich: Zu gewissen Zeiten bleiben Computer und Smartphone zumindest für den Arbeitgeber aus.

Ein verantwortungsvolles Management sollte Sie bei diesen Bemühungen unterstützen. Denn auch dem Unternehmen bringt es keine Vorteile, wenn Beschäftigte bis zum Burn-out arbeiten. Führungskräfte sollten als gute Vorbilder vorangehen und selbst auf ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Beruf und Privatleben achten. Gute Vorgesetzte erwarten von ihren Mitarbeitenden keine ständige Verfügbarkeit, sind aber auch selbst nicht ständig erreichbar, sondern setzen sich gezielte Auszeiten.

Urheber des Titelbildes: marinabagrova/ 123RF Standard-Bild