Kantinen in Deutschland

Die Corona-Pandemie hat die Arbeitswelt in Deutschland verändert, mit langfristigen Auswirkungen: Viele Beschäftigte sind weiterhin ganz oder überwiegend im Home Office tätig, immer mehr Büroflächen stehen leer. Entsprechend finden sich auch weniger Angestellte zum Mittagessen in der Kantine ein.

Wie gehen Kantinen mit dieser Herausforderung um? Mit welchen weiteren Problemen müssen sie sich auseinandersetzen? Und wie könnte die Kantine der Zukunft aussehen?

Eine kurze Geschichte der Kantine in Deutschland

Der Begriff Kantine leitet sich vom italienischen Wort „cantina“ ab, was wörtlich übersetzt „Flaschenkeller“ bedeutet. Statt Flaschen gibt es in der Kantine allerdings Mahlzeiten für die Angestellten eines Betriebs, zubereitet von einer eigenen Küche oder bereitgestellt von einem Catering-Service.

Die Geschichte der Kantinenkultur in Deutschland reicht weit zurück. 1895 eröffnete das Chemie-Werk Bayer in Leverkusen eine „Arbeiter-Speiseanstalt“. Seitdem haben sich die Betriebskantinen weiterentwickelt und an die Bedürfnisse der Beschäftigten angepasst. In den 1950er-Jahren aßen rund 60 Prozent der Erwerbstätigen in Westdeutschland ihr Mittagessen in der Kantine. Heute sollen den Statistiken zufolge zwischen neun und 18 Millionen Beschäftigte täglich das Betriebsrestaurant besuchen.

Die Kantine heute: In Konkurrenz zu Restaurants und Lieferdiensten

Rund 14.000 Betriebe mit mehr als 100 Beschäftigten bieten Mahlzeiten in einer Kantine an. Gut 9.000 davon unterhalten eine eigene Küche. Der Rest hat den Kantinenbetrieb an Subunternehmer ausgelagert. Marktführer wie Sodexo, Aramark und die Compass Group betreiben mehrere Hundert Kantinen in Deutschland.

Das Geschäft mit der Betriebsgastronomie ist lukrativ. Der Deutsche Hotel und Gaststättenverband geht davon aus, dass pro Jahr 15 Milliarden Umsatz erzielt werden. Gäste zahlen im Durchschnitt 3,50 bis 4,00 Euro pro Besuch.

Bereits seit Ende des 20. Jahrhunderts sehen sich die Betriebskantinen allerdings wachsender Konkurrenz gegenüber. Das Bedürfnis nach Abwechslung sowie nach gesundem und vegetarischem Essen steigt. Statt in die Kantine zieht es viele Mitarbeiter in umliegende Restaurants, in Pizzabuden und Dönerläden.

Manch einer bleibt auch gleich am Schreibtisch sitzen und bestellt sich das Mittagessen per Lieferdienst. Einige Unternehmen sparen sich mittlerweile aus Platz- oder Budgetgründen eine eigene Kantine und zahlen ihren Beschäftigten stattdessen einen digitalen Essenszuschuss. Das erfordert wenig Aufwand und das Geld lässt sich von den Angestellten flexibel einsetzen.

Weitere Herausforderungen: Steigende Preise für Lebensmittel und Energie

Auch die Corona-Pandemie hat sich auf die deutsche Kantinenlandschaft ausgewirkt. Hygienemaßnahmen und Abstandsregeln haben dazu geführt, dass einige Kantinen zeitweise schließen oder ihre Bewirtungskonzepte grundlegend ändern mussten.

Die verstärkte Tätigkeit im Home Office und flexible Arbeitszeitmodelle haben zu einer verringerten Nachfrage nach Kantinenessen geführt. Gleichzeitig sind die Preise für Lebensmittel und Energie gestiegen. Ein weiteres Problem: Vielen Kantinen fehlt es an Personal.

Fehlende Gäste, Personalmangel und steigende Preise haben spürbare Konsequenzen. Wie eine Erhebung der Wirtschaftsauskunftei Creditreform zeigt, ist die Zahl der Insolvenzen von Caterern und Verpflegungsdienstleistern von 2022 auf 2023 um 67 Prozent gestiegen.

Info: Das beliebteste Kantinenessen

Welche Gerichte in den Betriebskantinen besonders beliebt sind, unterscheidet sich je nach Branche und Region. Einige Speisen landen jedoch regelmäßig auf den vorderen Plätzen. Besonders gern essen deutsche Beschäftigte Spaghetti Bolognese, Pesto-Pfanne und Currywurst mit Pommes. Auch das Wiener Schnitzel und Chili con Carne gehören zu den Dauerbrennern in der Betriebsgastronomie.

Wie könnte die Kantine der Zukunft aussehen?

Den aktuellen Herausforderungen versuchen Kantinen mit neuen Konzepten zu begegnen. Zutaten aus regionalem und biologischem Anbau sollen dem gewachsenen Gesundheitsbedürfnis der Gäste Rechnung tragen, neue Raumkonzepte das verstaubte Image aufpolieren. Und auch die Automatisierung schreitet stetig voran.

1. Frisch, regional und bio

Einer Forsa-Umfrage zufolge legen 90 Prozent der Verbraucher beim Kantinenbesuch Wert auf gesundes und vollwertiges Essen. Die Bundesregierung hat in ihrer Ernährungsstrategie sogar festgelegt, dass Kantinen mehr pflanzliche, saisonale, regionale und nach Möglichkeit biologisch angebaute Produkte servieren sollen.

Kantinen stellen sich auf die veränderten Bedürfnisse ein und erweitern ihren Speiseplan. Ein Beispiel für umwelt- und klimafreundliche Konzepte liefert das Betriebsrestaurant der Berliner Wasserbetriebe (BWB), die „Spreeschleuse“. Schon seit 2017 gibt es einen „KlimaTeller“ mit Gerichten, die einen um mindestens 50 Prozent geringeren Co2-Ausstoß aufweisen sollen als vergleichbare Speisen.

2. Neue Raumkonzepte

Um sich vom angestaubten Image zu befreien, entwickeln viele Kantinen neue Raumkonzepte. Das Betriebsrestaurant „Elbe“, eine der Kantinen des Versandhändlers Otto, setzt etwa auf „Cosy Architecture“. Unterschiedlich gestaltete Sitzbereiche, viel Grün, Menükarten auf Flachbildschirmen und die Zubereitung direkt vor den Augen der Gäste sollen mehr Angestellte in die Kantine ziehen.

3. Bedienautomaten und Roboter-Köche

Dem Personalmangel in den Kantinen versuchen manche Betriebe zu begegnen, indem sie vermehrt Bedienautomaten zur Verfügung stellen. Die schlanken Schränke sind entweder mit einer Kühl- oder Wärmefunktion ausgestattet und stellen so kalte wie warme Speisen bereit. Beschäftigte bestellen die gewünschten Gerichte per App beim Kantinenbetreiber. Der lässt die Speisen in der Großküche zubereiten und befüllt die Automaten.

Das Unternehmen „Aitme“ kam derweil auf die Geschäftsidee, Gerichte ganz von Robotern kochen zu lassen. 2023 hat das Hamburger Start-up „Circus“ die Firma übernommen. Roboter sollen menschliche Köche nun nur noch unterstützen und nicht gleich ganz ersetzen.

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