Dass die Kollegin bereits um 7.35 Uhr am Schreibtisch sitzt, obwohl der Arbeitstag offiziell erst um 8 Uhr beginnt, ist längst zu einem gewohnten allmorgendlichen Bild geworden. Aber zählt diese Zeit überhaupt als Arbeitszeit? Und darf man einfach früher loslegen, ganz ohne Absprache mit dem Arbeitgeber?
Warum manche gerne früher anfangen
Frühes Erscheinen im Büro kann verschiedene Gründe haben: Wer morgens den Berufsverkehr umgehen will, fährt lieber früher los und plant einen Puffer ein. Andere schätzen die Ruhe vor dem offiziellen Arbeitsbeginn, wenn noch keine Meetings anstehen und das Telefon schweigt. Manche wollen dadurch einfach früher Feierabend machen. Und dann gibt es noch die Angestellten, die schlicht Frühaufsteher sind und morgens produktiver arbeiten.
Grundsätzlich spricht nichts dagegen, vor der regulären Arbeitszeit im Büro zu erscheinen. Entscheidend ist jedoch, ob es sich dabei um Arbeitszeit im rechtlichen Sinne handelt und ob der Arbeitgeber davon überhaupt weiß oder sie anerkennt.
Voraussetzung: feste Arbeitszeiten
Ob frühes Arbeiten überhaupt eine Rolle spielt, hängt stark vom Arbeitszeitmodell ab. Wer Vertrauensarbeitszeit hat oder komplett flexibel arbeitet, ist nicht an einen festen Beginn gebunden. Bei Gleitzeit ist der Spielraum mit einem definierten frühesten Startzeitpunkt klar definiert.
Anders sieht es bei festen Arbeitszeiten aus: Wer laut Vertrag von 8 bis 16.30 Uhr arbeitet, kann diesen Rahmen nicht eigenmächtig verschieben. Der Arbeitgeber hat hier das Weisungsrecht und legt Beginn, Ende und Pausen der Arbeitszeit fest. Einfach früher anfangen, um früher zu gehen, funktioniert in der Regel nicht und wenn überhaupt, dann nur mit Zustimmung.
Früher anfangen zählt nicht automatisch
Wer vor dem offiziellen Arbeitsbeginn schon arbeitet, kann daher nicht automatisch mit einer Gutschrift auf dem Stundenkonto rechnen. Arbeitszeit ist das, was vertraglich vereinbart wurde. Wer einfach so früher loslegt, handelt zunächst freiwillig. Ohne ausdrückliche Genehmigung oder Duldung zählt das nicht als vergütete Zeit.
Nur wenn der Arbeitgeber die frühere Arbeitsaufnahme kennt und regelmäßig duldet (also nicht nur einmal still hinnimmt) kann daraus unter Umständen ein Anspruch entstehen. In jedem Fall gilt aber: Die bloße Anwesenheit im Büro reicht nicht. Erst mit der tatsächlichen Arbeitsleistung beginnt die Arbeitszeit und auch die muss abgestimmt sein.
Frühes Arbeiten: sinnvoll, aber nicht immer unproblematisch
In der Praxis wird frühes Arbeiten oft toleriert, solange es reibungslos läuft. Problematisch kann es trotzdem werden, zum Beispiel in diesen Fällen:
- Verdeckte Überstunden: Wer regelmäßig zu früh beginnt und länger bleibt, häuft unbeabsichtigt Überstunden ohne vertragliche Grundlage oder Ausgleich an.
- Druck auf die Kollegen: Wer sichtbar früher startet, setzt womöglich unbeabsichtigt andere unter Zugzwang.
- Rechtliche Grauzonen: Arbeitszeitgesetze dürfen auch durch freiwilliges Engagement nicht umgangen werden, etwa bei maximaler täglicher Arbeitszeit oder durch Pausenregelungen.
Was Arbeitgeber und Mitarbeitende regeln sollten
Für beide Seiten ist Klarheit hilfreich. Wer regelmäßig früher beginnt, sollte das offen ansprechen, besonders dann, wenn der Zeitaufwand dauerhaft über das vertraglich vereinbarte Maß hinausgeht. Ein Gleitzeitmodell oder eine klare Regelung im Arbeitsvertrag kann hier für Transparenz sorgen.
Arbeitgeber wiederum sollten prüfen, ob stilles Früharbeiten nicht längst zur Regel geworden ist und ob das rechtlich und organisatorisch noch sinnvoll ist. Denn Engagement ist gut, aber nur im Rahmen klarer Absprachen wirklich fair und wirksam.
Urheber des Titelbildes: onlykim/ 123RF Standard-Bild
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