In der Coronakrise haben viele Unternehmen festgestellt, dass das Home Office eine echte Alternative zu Büroräumen sein kann. Solange kein Impfstoff für das neuartige Coronavirus gefunden wird, bleibt „Abstand halten“ wohl auch weiterhin das oberste Gebot. Und auch wenn es ein Gegenmittel gibt, ist es wahrscheinlich, dass Menschen vermehrt zuhause arbeiten und mehr Wert auf Distanz legen werden. Denn angesichts der Epidemien und Pandemien, die die Welt in den letzten Dekaden heimsuchten, ist es sicherlich nicht falsch, wenn man bitterböse behauptet: Nach dem Virus ist vor dem Virus!
Wenn also das Home Office immer mehr zu einem festen Bestandteil des Unternehmensalltags wird, stellt sich die Frage, was aus Bürohochhäusern und den traditionellen Büroformen wird. Hier ging es bislang ja eher darum, die Mitarbeiter möglichst kompakt und effizient unterzubringen. Außerdem darf man gespannt sein, wie Unternehmen dafür sorgen wollen, dass sich Heimbüros elegant in die Corporate Identity eingliedern. Es ist an der Zeit, Konzepte für Büros neu zu überdenken. Wir haben für Sie „in die Glaskugel geschaut“.
Großraumbüros mit mehr Platz für den Einzelnen
In vielen Unternehmen arbeiten die Angestellten in Großraumbüros, nicht selten mit 20 oder mehr Kollegen. Während der Corona-Pandemie ist eine volle Auslastung solcher Büroräume aus Infektionsschutzgründen nicht denkbar. Besonders in Innenräumen ist die Gefahr sehr groß, sich mit Covid-19 anzustecken. Das gilt vor allem in Büroräumen mit schlechter Belüftung.
Da sich die Coronakrise im kulturellen Gedächtnis einprägen wird, kann man mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sagen, dass sich Menschen auch zukünftig mehr vor Viren schützen werden. Das Großraumbüro in klassischer Form wird es unseres Erachtens nicht mehr geben.
Im Rahmen neuer Büroraumkonzepte werden deutlich weniger Menschen auf derselben Fläche arbeiten, d.h. jeder Einzelne hat mehr Platz. Das lässt sich auch wunderbar umsetzen, da mehr Mitarbeiter im Home Office arbeiten und seltener Büroplätze in Anspruch nehmen. Außerdem werden große Büros mit hohen Trennwänden ausgestattet und die Schreibtische eher Rücken an Rücken gestellt, um das Risiko einer Ansteckung zu minimieren. Einige Unternehmen müssen zusätzlich in bessere Belüftungsanlagen investieren und dafür sorgen, dass Hygienemaßnahmen eingehalten werden (können).
Im Prinzip erhöht sich für den Einzelnen die Qualität der Arbeitsumgebung, u.a. sinkt der Lärmpegel sinkt, so dass man sich stärker fokussieren kann – im Idealfall auf die Arbeit.
Das Home Office als repräsentativer Ort
Wenn das Home Office immer mehr zum Büroalltag gehört, muss es stärker in den Büroraumkonzepten der Unternehmen integriert werden. Zu Beginn der Corona-Einschränkungen waren Einblicke in das Privatleben von Kollegen, Geschäftspartnern und Kunden vielleicht noch ganz interessant, und teilweise auch amüsant. Aber je mehr das Arbeiten von zuhause zu einer festen Größe wird, desto stärker sollten Unternehmen Einfluss auf die Gestaltung des Home Office nehmen. Schließlich repräsentiert der Mitarbeiter – mitsamt seinem Arbeitsumfeld – das Unternehmen.
In Videokonferenzen wirkt es zunehmend unprofessionell, wenn Kinder durch das Bild laufen, private Fotos an der Wand hängen oder der Wäscheständer zu sehen ist. Aufgrund der aktuell schwierigen Betreuungssituation in vielen Familien lässt sich das nicht immer vermeiden. Mittel- und langfristig ist es empfehlenswert, dass sich die Gestaltung von Heimarbeitsplätzen harmonisch in die Corporate Identity eingliedert.
Das muss für die Mitarbeiter, die im Home Office arbeiten, kein Nachteil sein. Denn das Unternehmen sollte dann für die Heimbüros ein gewisses Budget zur Verfügung stellen. Das Notebook sollte technisch auf einem neuen Stand sein. Der zusätzliche Monitor erleichtert den Workflow. Die stabile Internetverbindung sorgt für flüssige Online Meetings. Der Bürostuhl ist ergonomisch. Und ansonsten orientiert sich das Design an den „echten“ Büroplätzen. Dazu kann natürlich auch eine prominente Platzierung des Unternehmslogos gehören.
Es ist ebenfalls denkbar, dass das Home Office in Zukunft eine starke Rolle bei der Wohnungssuche spielt. Der Mitarbeiter benötigt ja einen zusätzlichen Raum, der vom Unternehmen (mit)gestaltet wird. Dementsprechend ist es sogar möglich, dass sich Unternehmen an den Mietkosten beteiligen.
Gemeinschaftsgefühl weniger stark ausgeprägt
Wenn in den Bürotürmen weniger Menschen und viele Mitarbeiter überwiegend im Home Office arbeiten, hat das zweifelsohne Auswirkungen auf die Kommunikation im Unternehmen. Die Anzahl persönlicher Treffen nimmt ab. Das könnte sich negativ auf den Zusammenhalt von Teams und Abteilungen auswirken. Viele persönliche Beziehungen, manchmal sogar Freundschaften, entstehen ja gerade in Pausen, beim Mittagessen oder beim Small Talk auf dem Flur.
Gerade dieses persönliche Ebene ist der Kitt für das Gemeinschaftsgefühl in einem Unternehmen. Fällt sie weg, bröckelt nicht nur der Teamspirit. Auch die Bindung an den Arbeitgeber leidet. Das könnte unter Umständen zu Produktivitätsverlusten führen. Darüber hinaus fällt es Angestellten, die sich nicht an das Unternehmen gebunden fühlen, sicherlich leichter es vorzeitig zu verlassen.
Herausforderungen und Chancen für Büroplaner und Unternehmensberater
Die Coronakrise wird sich langfristig auf die Art und Weise auswirken, wie und wo wir arbeiten. Der Infektionsschutz und Hygieneregeln werden auch nach der überstandenen Pandemie enorm wichtig sein. Abstand halten kann jedoch dem Zusammengehörigkeitsgefühl sehr schaden. Hier besteht für Unternehmensberater die Herausforderung darin, Wege zu finden, die diesen Effekt abfedern.
Andererseits bieten sich für Unternehmen aber auch große Chancen. Jetzt ist es an der Zeit, Büroraumkonzepte und Arbeitsprozesse komplett neu zu denken. Anders als viele spannende Ideen kreativer Vordenker der Vergangenheit ist es sehr viel wahrscheinlicher, dass diese Vorschläge keine Utopie bleiben.
Schade, dass wir keine Zeitmaschine haben und einen Blick auf die Büros im Jahr 2050 werfen können …
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