Imposter

Eine gewisse Portion Selbstkritik im Job schadet definitiv nicht. Wenn sich diese allerdings in massiven Selbstzweifeln äußert, dann ist es Zeit, etwas dagegen zu tun. Für das Phänomen, sich selbst im Job (ungerechtfertigt) als Hochstapler zu fühlen, gibt es sogar einen Namen: das Imposter-Syndrom.

Definition: Das ist das Imposter-Syndrom

Die wörtliche Übersetzung des englischen Begriffs Imposter mag zunächst etwas irreführend sein. Denn um einen Hochstapler handelt es sich bei der Person, die an einem Imposter-Syndrom leidet, nicht. Das Gegenteil ist meist sogar der Fall: Menschen mit Imposter-Syndrom haben vielmehr nur das Gefühl, im Job oder auch in anderen Lebensbereichen nicht gut genug zu sein, die Ansprüche nicht erfüllen zu können und sogar eine Mogelpackung beziehungsweise eine Täuschung zu sein. Die Selbstzweifel sind dabei so groß, dass man aufrichtig glaubt, nicht die erforderlichen Fähigkeiten für einen Job zu haben. Objektiv betrachtet handelt es sich jedoch häufig um intelligente und leistungsstarke Menschen, die weit davon entfernt sind, ein Hochstapler zu sein.

Selbst betroffen? Deutliche Anzeichen

Selbstzweifel kennen viele Menschen. Bis zu einem gewissen Grad sind diese auch ganz normal. Nicht immer bewegen sich diese jedoch in einem „gesunden“ Bereich. Dass man womöglich am Imposter-Syndrom leidet, ist dabei den wenigsten Menschen bewusst. Nicht zuletzt kann das daran liegen, dass man vor allem im beruflichen Kontext nur ungern über die eigenen Unzulänglichkeiten spricht. Und auch der Begriff selbst ist bislang noch wenig bekannt.

Ob man selbst betroffen ist, lässt sich für eine erste Einschätzung an einigen typischen Anzeichen erkennen. Wer sich lediglich bei einzelnen Aussagen wiederfindet, sollte sich in der Regel jedoch noch keine Gedanken machen.

  • Obwohl man einen guten Job hat, fühlt es sich so an, als hätte man diesen nur durch Glück und Zufall erhalten.
  • Auf eine höhere Position bewirbt man sich erst gar nicht, da man nicht davon ausgeht, über die nötigen Fähigkeiten und Kompetenzen zu verfügen.
  • Das Gefühl, einen bestimmten Erfolg nicht verdient zu haben, schleicht sich immer wieder ein.
  • Für Sie fühlt es sich so an, als wenn Kollegen Ihren Job eigentlich viel besser und im Handumdrehen erledigen könnten.
  • Die eigene Messlatte haben Sie sehr hoch gesteckt.
  • Was andere über Sie denken, hat einen sehr hohen Stellenwert.
  • Die Angst ist groß, selbst Fehler zu machen.
  • Komplimente anzunehmen, fällt sehr schwer, da sie aus der eigenen Wahrnehmung nicht verdient sind.
  • Viele der eigenen Sätze beginnen mit „Ich glaube“ oder „Ich denke“, auch wenn es sich um eindeutige Fakten handelt.

Genie oder Perfektionist? Verschiedene Imposter-Syndrom-Typen

Das Hochstapler-Syndrom gibt es in verschiedenen Ausprägungen. Man unterscheidet dabei verschiedene Typen. Das können (müssen aber natürlich nicht) sein:

  • Perfektionisten: Wer von sich selbst nicht überzeugt ist, versucht dies zu vertuschen, indem er mehr als 100 Prozent gibt. Damit andere die eigenen, subjektiv gefühlten Unzulänglichkeiten nicht bemerken, neigen einige „Imposter“ zu Perfektionismus.
  • Workaholics: Menschen, die mehr als nur Vollgas im Job geben, regelmäßig Überstunden machen und zusätzliche Aufgaben erledigen, leiden unter Umständen am Imposter-Syndrom. Durch ihren Einsatz versuchen sie, ihre scheinbar mangelnden Fähigkeiten wieder auszugleichen.
  • Naturtalente: Dass sie selbst zu denjenigen gehören, die Fähigkeiten und Kompetenzen erst erlernen müssen, ist für Personen mit dem Hochstapler-Syndrom nur schwer zu akzeptieren. Auch wenn die wenigsten Menschen Naturtalente sind und Übung und Erfahrung fast immer dazugehören, fühlt sich das für Menschen mit Selbstzweifeln wie ein Versagen kann.
  • Solisten: Imposter-Syndrom-Personen sind selten Teamplayer. Um Anerkennung zu erhalten, muss eine Aufgabe selbst und ohne fremde Hilfe bewältigt werden. Eine Gemeinschaftsarbeit ist dagegen eher ein Anzeichen dafür, dass man es allein nicht schafft und Unterstützung von anderen benötigt.
  • Experten: Um die vermeintlichen Wissenslücken zu kaschieren, häufen diese Menschen ein riesiges Wissen in ihrem Fachgebiet an und werden darin zu wahren Experten. Und sollte man einmal keine Lösung haben, fühlt sich dies für sie wie eine große Schwäche an.

Die Tiefstapelei in den Griff bekommen: praktische Tipps

Wer selbst betroffen ist – und sich das auch eingesteht – kann einiges tun, um den Selbstzweifeln den Garaus zu machen. In besonders starker Ausprägung ist eine Therapie eine wichtige Unterstützung und Hilfe. Damit diese erst gar nicht notwendig wird, können manchmal aber auch schon Verhaltensänderungen und praktische Tipps dazu beitragen, dem Imposter-Syndrom Goodbye zu sagen. Hier unsere Ratschläge:

  • an Fakten orientieren: Bei Selbstzweifeln handelt es sich lediglich um ein Gefühl. Um dieses in den Griff zu bekommen, sollte man sich an den Tatsachen orientieren. Es gibt garantiert Dinge, die man aus eigener Kraft erreicht hat und die sich faktenorientiert vorweisen lassen.
  • Erreichtes dokumentieren: Dass tagtäglich eine ganze Menge gut läuft, nehmen Menschen mit dem Hochstapler-Syndrom gar nicht wahr. Deshalb lohnt es sich, all die erledigten Aufgaben am Ende des Tages einfach mal zu notieren.
  • Ziele realistisch setzen: Will der Chef wirklich, dass ich 150 Prozent gebe, jeden Tag länger im Büro bleibe und 24/7 erreichbar bin? Nur weil man selbst zu Perfektionismus neigt, bedeutet das noch lange nicht, dass andere diesen auch erwarten. Versuchen Sie daher, die eigenen Ansprüche etwas herunterzuschrauben und eine geringere Erwartungshaltung an sich selbst zu stellen.
  • positives Feedback annehmen: Wer unter starken Selbstzweifeln leidet, für den ist es erstmal schwierig, ein Lob anzunehmen. Zur Bewältigung des Imposter-Syndroms kann es daher bereits ein wichtiger Schritt sein, ein Kompliment einfach mit dem Wort „Danke“ zu erwidern und die eigene Leistung nicht direkt mit „Ach, das war doch keine große Sache“ kleinzureden.
  • Fehler akzeptieren: Dieser Aspekt dürfte Menschen mit starken Selbstzweifeln besonders schwerfallen. Dennoch sollte man sich bewusst machen, dass Fehler menschlich sind, sie tagtäglich vielen anderen Menschen passieren und man daraus immer auch lernen kann.

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