Bedenkzeit

Es könnte schlechter laufen: Bereits kurz nach dem Vorstellungsgespräch kommt prompt die Zusage. Nach der ersten großen Freude stellt sich dann jedoch die Frage: Ist der Job wirklich der richtige für mich? Vor allem Jobsuchende, die nicht das erstbeste Angebot annehmen wollen, da sie sich auf mehrere Stellen beworben haben, stehen jetzt vor einem Luxusproblem: Ist es legitim, um Bedenkzeit zu bitten und den potenziellen Arbeitgeber hinzuhalten?

Zusage erhalten: Das sind die Optionen

Natürlich ist es erst einmal schmeichelhaft, wenn die eigene Person sowie die Kenntnisse und Fähigkeiten bei den Personalverantwortlichen und Führungskräften so gut ankommen, dass sie dem Bewerber den Job anbieten. Und auch wenn die Zusage grundsätzlich positiv ist, die eigene berufliche Zukunft sichert und das Selbstbewusstsein pusht, hat sie immer dann einen Haken, wenn man noch weitere Eisen im Feuer hat. Schließlich ist es nicht ganz ungewöhnlich, dass man sich nicht nur für eine Stelle bewirbt: So wartet man bei Unternehmen XY, das auf der Präferenzliste auf Platz 1 steht, noch auf eine Rückmeldung. Für eine weitere Stelle ist das Vorstellungsgespräch erst in der kommenden Woche terminiert …

Und nun? Wer einerseits auf Nummer sicher gehen möchte und Angebot A nicht ausschlagen, andererseits aber auch offen für mögliche weitere Angebote sein will, hat mehrere Möglichkeiten – die man mehr, mal weniger fair sind.

Möglichkeit 1: Den Job annehmen

Dies ist erst einmal die scheinbar einfachste Variante. Nach der Jobzusage nehmen Sie den Job ohne lange zu überlegen, einfach und spontan an. Lösen sich alle anderen Optionen in Wohlgefallen auf, hätte es nicht besser laufen können. Anders sieht es natürlich aus, wenn sich eine andere (bessere) Möglichkeit ergibt und man den Job doch nicht antreten will.

Auch wenn es rein rechtlich natürlich möglich ist, eine mündliche Zusage zurückzuziehen und selbst ein unterschriebener Arbeitsvertrag innerhalb einer zweiwöchigen Frist widerrufen werden kann, sieht es von der moralischen Seite anders aus. Bewerber, die ihre Zusage zurückziehen, kommen garantiert alles andere als gut an. Eine zweite Chance wird es bei dem Unternehmen wohl eher nicht geben.

Möglichkeit 2: Auf Zeit spielen und Antwort hinauszögern

Die typische Hinhaltetaktik ist nicht ungewöhnlich. Ob das Spiel auf Zeit eine gute Lösung ist, hängt vor allem von dessen Dauer ab. Wer sich lediglich zwei bis drei Tage Bedenkzeit für eine Antwort nimmt, dürfte keine Probleme bekommen. Bestenfalls geben Bewerber dem Personaler direkt ein kurzes Feedback, dass sie sich sehr über die Zusage freuen, sich aber noch eine kurze Bedenkzeit wünschen – das ist sogar ohne Begründung legitim. In die Karten spielen würde den Bewerbern jetzt zudem eine vom Unternehmen gesetzte Frist, à la „Wir erwarten Ihre Antwort bis zum …“ In dem Fall erübrigt sich eine Zwischenmeldung.

Etwas komplizierter wird es für alle, die mindestens eine, vielleicht sogar zwei Wochen Zeit benötigen, weil vorher nicht mit einer Antwort von dem anderen Unternehmen zu rechnen ist: Die Bedenkzeit lässt sich jetzt mit einer oder mehreren Rückfragen (zum Beispiel zur Vertragsgestaltung) verlängern. Sie können zudem angeben, den Vertrag in Ruhe durchschauen zu wollen. Auch familiäre Verhinderungen oder eine vorgeschobene Krankheit können der Sache dienlich sein. Wer besonders viel Zeit schinden will, der beteuert, den Vertrag schon längst unterschrieben abgeschickt zu haben (obwohl dies nicht der Fall ist).

Bei diesem Vorgehen ist jedoch Vorsicht geboten: Eine Verzögerung geht in der Regel durch, vielleicht akzeptiert der Personaler auch einen weiteren zeitlichen Verzug, spätestens bei der dritten Ausrede dürfte die Geduld jedoch überstrapaziert sein. Das Risiko besteht jetzt, dass die mündliche Zusage wieder zurückgenommen wird. Das Zögern suggeriert zudem eine gewisse Entscheidungsschwäche – und die wünscht man sich wohl eher nicht von seinem zukünftigen Personal.

Möglichkeit 3: Ehrlich sein

Ehrlichkeit währt am längsten? Vielleicht. Wer fair sein möchte, der spielt mit offenen Karten und teilt dem Unternehmen mit, dass es noch weitere Bewerbungen gibt und man vor der Entscheidung zunächst abwarten will. Natürlich ist es nicht verwerflich, sich für mehrere Stellen parallel zu bewerben. Dennoch ist das Risiko vorhanden, dass sich das Unternehmen nur als zweite Wahl oder sogar als Notfalloption sieht – und sich in der Folge trotz Zusage doch noch gegen den Bewerber entscheidet.

Damit diese Variante erfolgversprechend ist, bedarf es hier etwas Fingerspitzengefühl. Vermitteln Sie dem Personalverantwortlichen glaubhaft, dass der Job durchaus die erste Wahl ist, man aber allein aus Gründen der Fairness noch einen zweiten, bereits feststehenden Termin wahrnehmen möchte. Wichtig ist, ein konkretes Datum zu nennen, bis zu dem Sie sich spätestens melden.

1, 2 oder 3? Welche Option soll ich wählen?

Tatsächlich gibt es nicht DIE Variante, mit der Bewerber immer richtig liegen, wenn es darum geht, ein Jobangebot anzunehmen oder (noch) nicht. Ein Risiko, dass sie am Ende mit leeren Händen dastehen oder sich andersherum für den „falschen“ (erstbesten) Job entschieden haben, besteht immer. Größer ist dieses natürlich in gefragten Bereichen mit einer großen Anzahl an Bewerbern, während man in Berufen mit Fachkräftemangel gerne auch mal etwas pokern darf.

Grundsätzlich können Bewerber mit zwei bis drei Tagen Bedenkzeit nichts falsch machen. Ansonsten gilt es im individuellen Fall gut abzuwägen, ob Ehrlichkeit die bessere Option ist oder ob dem eigenen Vorteil jetzt der Vorrang gegeben werden sollte.

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