IQ-Tests sollen die Intelligenz eines Menschen messen. Kinder absolvieren sie vor der Einschulung oder beim Übergang auf eine höhere Schule, Bewerber bekommen sie beim Einstellungsgespräch vorgelegt. Doch an der Aussagekraft von Intelligenztest werden immer wieder Zweifel laut. Lassen sich von einem IQ-Test wirklich Rückschlüsse auf die Intelligenz einer Person ziehen?
Kann man Intelligenz messen?
Schon lange vor der Entwicklung moderner Intelligenztests versuchten die Menschen, Intelligenz und Eignung zu messen. Bereits vor rund 4.000 Jahren mussten sich Beamte in China zum Beispiel einem komplexen Eignungstest unterziehen. Im Westen begann man erst im 19. Jahrhundert mit der Entwicklung von Intelligenztests.
Info: Was ist eigentlich Intelligenz?
Der Begriff der Intelligenz ist nicht einfach zu fassen. In der Wissenschaft gibt es nach wie vor Diskussionen darüber, wie sich Intelligenz genau definieren lässt. Der Duden beschreibt Intelligenz als die „Fähigkeit des Menschen, abstrakt, vernünftig zu denken und daraus zweckvolles Handeln abzuleiten“. Viele Wissenschaftler gehen mittlerweile davon aus, dass es verschiedene Arten von Intelligenz gibt. Manche Menschen können sich etwa sprachlich sehr gut ausdrücken, während andere ein besseres Verständnis für mathematisch-logische Zusammenhänge aufweisen. Entwickler von IQ-Tests stehen vor der Herausforderung, diese Unterschiede zu berücksichtigen.
Die Entwicklung moderner IQ-Tests
Moderne Intelligenztests gehen auf den Engländer Sir Francis Galton zurück. In seinem 1869 veröffentlichten Buch „Hereditary Genius“, auf Deutsch „Genie und Vernunft“, versuchte er die Evolutionstheorie seines Cousins Charles Darwin auf menschliche Fähigkeiten anzuwenden. Galton wollte herausfinden, warum und wie sich die mentalen Fähigkeiten verschiedener Personen unterscheiden. Seine Theorie: Intelligenz lässt sich in Zahlenwerte fassen und mit objektiven Werten messen.
Den ersten funktionierenden Intelligenztest führten Alfred Binet und Théodore Simon im Jahr 1905 durch. Im Auftrag des französischen Bildungs- und Erziehungsministeriums entwickelten sie einen Test, der einen objektiven Blick auf die Leistungsfähigkeit von Kindern erlauben sollte. Sie führten den Begriff des Intelligenzalters ein: Erzielt ein Kind beim Test ein Ergebnis, das dem Durchschnittswert einer Gruppe von Fünfjährigen entspricht, erhält es ein Intelligenzalter von fünf Jahren zugesprochen. Das Intelligenzalter ist unabhängig vom tatsächlichen Lebensalter.
Der Psychologe William Stern setzte das Intelligenzalter ins Verhältnis zum Lebensalter. Dieses Ergebnis markiert den Intelligenzquotienten, kurz IQ. Die meisten Menschen haben einen IQ im Bereich von 85 bis 115 Punkten. Als hochbegabt gilt man ab einem IQ von 130 Punkten.
Methoden für IQ-Tests
Heute gibt es verschiedene Testmethoden, um die Intelligenz einer Person zu bestimmen. Bei allen IQ-Tests müssen die Teilnehmer innerhalb einer vorgegeben Zeit eine Reihe von Aufgaben lösen. Um die verschiedenen Arten von Intelligenz zu erfassen, stammen die Aufgaben aus unterschiedlichen Teilbereichen. Die bedeutendsten Testverfahren sind der Hamburg-Wechsler-Intelligenztest und der Intelligenz-Struktur-Test.
Den Hamburg-Wechsler-Intelligenztest gibt es in einer Version für Kinder von sechs bis 15 Jahren und einer Version für Erwachsene. Die Tests überprüfen mehrere Bereiche der Intelligenz:
- Sprachverständnis
- Wahrnehmung und Logik
- Schnelligkeit bei der Informationsverarbeitung
- Gedächtnis
Der Intelligenzstrukturtest, auch I-S-T 2000R genannt, ist für Personen zwischen 15 und 60 Jahren ausgelegt. Er misst ebenfalls verschiedene Faktoren, um die Intelligenz der Teilnehmer zu bestimmen.
Viele Intelligenztests sind sprachbasiert. Das benachteiligt Menschen ohne Sprachkenntnisse. Der Culture Fair Test (CFT) kommt ohne sprachliche Mittel aus und erlaubt daher auch Menschen die Teilnahme, die nicht die jeweilige Landessprache sprechen.
IQ-Tests in der Kritik
In der Wissenschaft ist man mittlerweile davon abgekommen, den IQ als Wert für die Intelligenz eines Menschen zu nutzen. Stattdessen werden Normskalen verwendet, um die mentalen Fähigkeiten von Personen zu beschreiben. Dadurch soll vermieden werden, dass der IQ als definierende Eigenschaft eines Menschen verstanden und zu diskriminierenden Zwecken eingesetzt wird. Dennoch sind IQ-Tests weiterhin weit verbreitet. An ihnen, wie auch an der Intelligenzmessung allgemein, wird immer wieder Kritik geübt.
Kritiker führen vor allem die folgenden Punkte an:
- Es gibt keine einheitliche Definition von Intelligenz. Intelligenztests können sich stets nur auf bestimmte Teilbereiche konzentrieren, während andere ausgelassen werden. Sie greifen daher zu kurz.
- Gängige Intelligenztests sind stark auf die westliche Kultur zugeschnitten. Dadurch benachteiligen sie Menschen aus anderen Kulturkreisen, bei denen eventuell andere Teilbereiche der Intelligenz im Vordergrund stehen.
- Durch regelmäßiges Üben können Teilnehmer für Intelligenztests trainieren und ihr Ergebnis verbessern. Dieser Übungseffekt kommt insbesondere bei Tests mit wenigen Aufgaben zum Tragen. Bei komplexen Tests ist er weniger stark ausgeprägt.
- Intelligenztests benachteiligen Menschen aus niedrigen sozialen Schichten. In gängigen IQ-Tests schneiden sie meist mit unterdurchschnittlichen Ergebnissen ab. Prüfen die Tests auch die praktische und mechanische Intelligenz, erzielen sie dagegen oft bessere Leistungen als Menschen aus der mittleren und oberen sozialen Schicht.
- Bei Intelligenztests kann das Prinzip der selbsterfüllenden Prophezeiung eintreten: Glauben Teilnehmer, dass sie aufgrund ihrer niedrigen sozialen Stellung schlecht abschneiden, führen Stress und Druck oft zu tatsächlich schlechten Leistungen.
Generell empfiehlt sich, die Aussagekraft von Intelligenztests nicht überzubewerten. Komplexe, nach wissenschaftlichen Maßstäben angefertigte Tests können jedoch dabei helfen, Stärken und Schwächen der Teilnehmer zu identifizieren. So können sie zum Beispiel bei der Auswahl des Karrierewegs Unterstützung leisten.
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