Kontrollfreak

Für Führungskräfte ist es eine ständige Gratwanderung: Wie viel Eigenverantwortung gestehen sie ihren Mitarbeitern zu? Wie viel Kontrolle üben sie aus?

Zu wenig Kontrolle kann dazu führen, dass Prozesse aus dem Ruder laufen und Aufgaben nicht erledigt werden. Zu viel Kontrolle allerdings wirkt sich negativ auf die Produktivität der Beschäftigten aus und hemmt Innovationen.

Vom Kontrollzwang und dem richtigen Umgang mit Kontrollfreaks handelt der folgende Artikel.

Kontrollzwang – woher kommt er und wie äußert er sich?

Unter Kontrollzwang versteht man aus medizinischer Sicht eine Zwangsstörung. Betroffene verspüren einen nicht zu unterdrückenden inneren Zwang, Dinge zu überprüfen und zu kontrollieren. Sie prüfen zum Beispiel ständig, ob sie das Licht oder den Herd ausgeschaltet haben. In Deutschland leiden rund zwei Prozent der Bevölkerung unter diesem Krankheitsbild.

Hinter dem Zwang, andere Menschen und ihr Handeln zu kontrollieren, steckt nicht unbedingt eine solche Zwangsstörung. Manchmal kann ein stark kontrollierendes, manipulatives Verhalten auf eine Persönlichkeitsstörung hindeuten.

Wenn der Chef zum Kontrollfreak wird, ist die Ursache aber meist eine andere: Angst. Vorgesetzte stehen selbst unter dem Druck, Ergebnisse erbringen zu müssen. Mit dem Druck wächst die Angst, eigenen oder fremden Anforderungen nicht mehr gerecht zu werden.

Um die eigene Position zu schützen, entwickeln sie eine Kontrollsucht. Vor allem perfektionistische Menschen, die hohe Ansprüche an sich selbst stellen, sind betroffen.

Herausforderung für Führungskräfte: Balance zwischen Kontrolle und Vertrauen

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser? Mit der Frage, wie stark sie ihre Untergebenen kontrollieren sollen, müssen sich Führungskräfte so gut wie jeden Tag beschäftigen.

Grundsätzlich lassen sich zwei Extreme unterscheiden:

1. Die Kontrollfreaks

Diese Vorgesetzten treten als Mikro-Manager auf. Sie erklären Aufgaben bis ins kleinste Detail und überprüfen den Arbeitsfortschritt engmaschig. Mitarbeitende haben das Gefühl, dass Ihnen der Chef bei der Arbeit ständig über die Schulter blickt.

Ein solches Verhalten demotiviert die Beschäftigten auf Dauer. Noch dazu bringt es den Zeitplan der Führungskräfte durcheinander, die sich mit Details aufhalten, statt sich um ihre eigenen Aufgaben zu kümmern. Innovationen können in einem solchen Arbeitsumfeld kaum entstehen.

2. Die Laissez-faire-Anhänger

Vorgesetzte dieses Typs verzichten fast ganz auf Kontrolle und gestehen den Beschäftigten viel Eigenverantwortung zu. Das klingt zunächst positiv – werden Arbeitsleistungen kaum oder überhaupt nicht kontrolliert, kann das aber auch Nachteile haben. Eventuell werden Deadlines nicht eingehalten oder Meilensteine von Projekten nicht erreicht.

Zu wenig Kontrolle kann auch Unsicherheit schaffen: Mitarbeitende sind sich nicht sicher, welche Ziele sie erreichen sollen oder ob sie ihre Aufgaben richtig erledigen.

Der goldene Mittelweg

Die Herausforderung als Führungskraft besteht nun darin, einen Mittelweg zwischen diesen beiden Extremen zu finden. Zum Führungsauftrag gehört es, die Mitarbeitenden zu unterstützen, sie zu motivieren und zur Weiterentwicklung anzuhalten. Gute Führungskräfte zeigen Präsenz, ohne die Beschäftigten bei der Ausübung ihrer Arbeit einzuschränken.

Dabei übernehmen sie die folgenden Aufgaben:

  • Sie legen Ziele fest und identifizieren Aktivitäten, die zum Erreichen dieser Ziele notwendig sind.
  • Sie delegieren Aufgaben an die Beschäftigten.
  • Sie überprüfen, ob die geplante Vorgehensweise angemessen ist.
  • Sie beschaffen die zum Erreichen der Ziele notwendigen Ressourcen.
  • Sie überwachen den Arbeitsfortschritt und bewerten Zwischenergebnisse.
  • Sie stehen dem ausführenden Team als Ansprechpartner zur Verfügung.
  • Sie prüfen das Endergebnis.

Mein Chef ist ein Kontrollfreak – was tun?

Gehört Ihr eigener Chef zu den Kontrollfreaks, können Sie einige Maßnahmen ergreifen, um sich mehr Freiräume bei der Arbeit zu verschaffen:

  • Beobachten Sie das Verhalten Ihres Vorgesetzten: In welchen Situationen neigt er besonders zu Kontrolle? Auf welche Weise übt er sie aus? In welchen Situationen kann er auch einmal locker lassen? Können Sie sein Verhalten einschätzen, lassen sich bessere Strategien entwickeln.
  • Versetzen Sie sich in die Lage Ihres Vorgesetzten: Welche Gründe könnte es für sein Verhalten geben? Steht er selbst gerade unter großem Druck? Mehr Verständnis ändert die Lage zwar nicht, hilft Ihnen aber, Ihren eigenen Ärger in den Griff zu bekommen.
  • Handeln Sie proaktiv: Ihr Chef fragt ständig nach Zwischenergebnissen? Schlagen Sie Deadlines vor, zu denen Sie Bericht erstatten. Bitten Sie selbst um Feedback, kann dies ebenfalls dazu beitragen, den Kontrollzwang des Chefs etwas zu zügeln.
  • Halten Sie sich an Absprachen, um Vertrauen aufzubauen. Je mehr Ihr Vorgesetzter Ihnen vertraut, umso mehr Freiheiten genießen Sie.

Geht die Kontrollsucht des Chefs langfristig über Ihre Schmerzgrenze hinaus und vergiftet das Arbeitsklima, sollten Sie über einen Jobwechsel nachdenken – der eigenen Gesundheit zuliebe.

So bändigen Sie Kontrollfreaks unter den Kollegen

Auch Kollegen können sich als echte Kontrollfreaks herausstellen. Sie spielen sich als Mikro-Manager auf, überprüfen Ihre Arbeitsergebnisse und kommandieren Sie sogar herum.

Eventuell starten sie Machtspielchen, um die eigene Position zu stärken und Sie abzuwerten. Leidet Ihre Arbeit unter dem Verhalten eines kontrollsüchtigen Kollegen, ist Handeln gefragt.

Meist lassen sich Kontrollfreaks im Kollegenkreis nur durch eine klare Rollenverteilung und eindeutige Grenzen zwischen den Verantwortlichkeiten eindämmen.

Machen Sie Ihrem Kollegen also unmissverständlich klar, wo sein Aufgabenbereich endet und Ihrer beginnt. Kommen Sie allein nicht weiter, sollten Sie sich an Vorgesetzte wenden.

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