Japanische Arbeitskultur

Sowohl deutsche als auch japanische Arbeitnehmer gelten als pünktlich und zuverlässig. Japanische Unternehmen machen allerdings immer wieder durch Fälle von Überlastung und Burn-out Schlagzeilen.

Doch wie verhält es sich tatsächlich – und welche Aspekte der japanischen Arbeitskultur könnten auch für deutsche Büros von Vorteil sein? Der folgende Artikel geht dieser Frage nach.

Der Weg zur Arbeit

Arbeitnehmer in deutschen Metropolen legen im Schnitt etwa 30 Minuten Arbeitsweg zurück. Im Leben eines japanischen Salarymans – so nennt man die Büroangestellten dort – nimmt das Pendeln mehr Zeit ein.

Die Fahrtzeit zur Arbeit und zurück beträgt durchschnittlich 79 Minuten, in Tokio sogar rund 102 Minuten. Die meisten Pendler fahren mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Die Zeit in der U-Bahn nutzen sie häufig für ein kurzes Nickerchen.

Der Arbeitsbeginn

8:30 bis 17:00 Uhr gelten als die typischen Bürozeiten in Deutschland. Einer Studie des Beratungsunternehmens Kisi zufolge starten die Münchner am frühesten in den Arbeitstag, nämlich um 8:46 Uhr. In Hamburg fangen Büroangestellte dagegen erst um 9:32 Uhr mit der Arbeit an. Die Berliner trudeln im europäischen Vergleich als Letzte auf der Arbeit ein. Sie starten im Schnitt erst um 9:53 Uhr.

Wollten sie dem japanischen Vorbild folgen, müssten deutsche Büroangestellte früher aufstehen. Eine Analyse des Cul­tu­re Research Insti­tuts zeigt, dass viele Salarymen ihren Tag zwischen 5:00 und 7:15 Uhr morgens beginnen. 20 Prozent der Befragten treffen bereits vor 8:00 Uhr am Arbeitsplatz ein.

Teamarbeit in Großraumbüros

Wie würde es aussehen, wenn deutsche Unternehmen ihre Büros nach japanischem Vorbild gestalten? Vor allem gäbe es weniger Einzelbüros und wesentlich mehr Open Spaces: Großraumbüros, in denen die Schreibtische nach Teams gruppiert sind.

Diese offene Struktur soll Barrieren zwischen den Mitarbeitern abbauen, die Kommunikation verbessern und den Zusammenhalt am Arbeitsplatz fördern. In Folge geht es an vielen japanischen Arbeitsplätzen oft lauter zu als in deutschen Büros.

Die Mittagspause

Am Schreibtisch essen und dabei noch schnell E-Mails bearbeiten? Oder doch lieber nach draußen und sich ein wenig die Beine vertreten? Auf den ersten Blick gibt es zwischen der Mittagspause in Deutschland und Japan einige Unterschiede: Nicht wenige Salarymen nutzen ihre kurze Freizeit, um sich im Park oder auf Spielplätzen sportlich zu betätigen. In Deutschland führt der Weg eher in die Kantine oder ins Restaurant.

Würden sich deutsche Unternehmen ihre japanischen Pendants zum Vorbild nehmen, müssten sich Angestellte noch mehr beeilen: Wer sich zu früh zur Pause verabschiedet oder zu spät wiederkommt, muss nicht selten mit Strafen wie Verdienstabzug oder Abmahnungen rechnen.

Was beide Länder eint: Die gesetzlich vorgegebene Pausenzeit halten sowohl deutsche als auch japanische Angestellte selten ein. In Deutschland sind es laut einer Studie des Online-Catering-Anbieters Smunch nur 25 Prozent. Der Rest verkürzt seine Pausen. Jeder zweite deutsche Angestellte nimmt sein Mittagessen am Schreibtisch zu sich und erledigt dabei Arbeitsaufgaben. Genauso handhaben es viele Japaner.

Von Hierarchie geprägte Strukturen

Mit dem Chef per Du? Würden deutsche Betriebe die japanische Unternehmenskultur einführen, hätte das einen wesentlich formelleren Umgangston zur Folge. Grundsätzlich legt man in der japanischen Arbeitswelt viel Wert auf Seniorität. Vorgesetzte, aber auch ältere Mitarbeiter und Angestellte, die länger zum Betrieb gehören, sind mit Respekt zu behandeln.

Ein weiterer Unterschied: Es würden viel mehr Meetings stattfinden. Hier treten die hierarchischen Strukturen besonders stark hervor. Die Sitzordnung richtet sich nach Rang und sozialem Status der Teilnehmer. Führungskräfte nehmen dabei natürlich den höchsten Rang ein, darauf folgen Gäste sowie Mitarbeiter mit mehr Erfahrung oder längerer Betriebszugehörigkeit.

Ende des Arbeitstags: Überstunden gehören zum Standard

Sowohl in Deutschland als auch in Japan sind die Arbeitszeiten gesetzlich geregelt. In Deutschland beträgt die gesetzlich zulässige Arbeitszeit 48 Stunden, bei arbeitsintensiver Auftragslage sind in Ausnahmefällen bis zu 60 Stunden pro Woche erlaubt. Der japanische Gesetzgeber schreibt eine 40-Stunden-Woche vor.

In der Praxis arbeiten deutsche Vollzeitbeschäftigte dem Statistischen Bundesamt zufolge durchschnittlich 40,5 Stunden pro Woche. Japaner kommen im Schnitt auf 36,5 Wochenstunden. Ganze 23 Prozent der Salarymen legen jedoch mehr als 50 Arbeitsstunden in der Woche ein.

Japanische Unternehmenskultur bedeutet auch: Überstunden gehören zum Standard. 23 Prozent der japanischen Unternehmen geben an, dass ihre Mitarbeiter im Monat rund 80 Überstunden leisten. In Deutschland kommen Beschäftigte auf durchschnittlich drei Überstunden pro Woche. Das entspricht etwa 12,6 Überstunden in einem Monat.

Die langen Arbeitszeiten führen dazu, dass Japaner relativ wenig schlafen, im Durchschnitt 7:15 Stunden pro Nacht. Den fehlenden Schlaf holen viele Salarymen im Büro nach. Es ist keine Seltenheit, dass japanische Beschäftigte direkt am Schreibtisch ein kurzes Nickerchen einlegen. Einige Büros sind extra mit Arbeitsplätzen ausgestattet, die sich in Schlafplätze umwandeln lassen.

Nach Feierabend: Auf zur Betriebsveranstaltung

Nach der Arbeit direkt nach Hause fahren? Nähmen sich deutsche Betriebe die japanische Arbeitskultur zum Vorbild, ginge es stattdessen mit den Vorgesetzten und Kollegen ins Restaurant oder in die Karaoke-Bar.

Das abendliche Essen und Trinken im Team, das sogenannte „Nomikai“, gehört zu den festen Ritualen im japanischen Arbeitsalltag. Es wird auch als „Nomunication“ bezeichnet, d.h. es wird mit dem englischen Wort „communication“ kombiniert, was den Charakter der Treffen noch besser verdeutlicht.

„Nomunication“ soll das Verhältnis zwischen Chefs und Mitarbeitern sowie zwischen den Kollegen stärken. In der Regel fließt reichlich Alkohol. Die Teilnahme gehört zum guten Ton und verbessert die Karrierechancen. Genauso verhält es sich mit anderen Betriebsveranstaltungen wie Jubiläen, Einstandsfeiern oder der Verabschiedung eines Mitarbeiters: Die Teilnahme ist zwar nicht vorgeschrieben, wird aber erwartet.

Fazit: Was können deutsche Betriebe von der japanischen Arbeitskultur lernen?

Lange Arbeitszeiten, starre Hierarchien und regelmäßige Veranstaltungen nach Feierabend: Für viele deutsche Büroangestellte klingt das eher wenig verlockend. Dennoch gibt es einige Aspekte, die sich deutsche Büros von der japanischen Arbeitskultur abschauen können:

  1. Höflicher Umgangston: Der Umgang zwischen Vorgesetzten und Angestellten und innerhalb der Teams ist geprägt von Höflichkeit und Respekt.
  2. Starker Teamzusammenhalt: In japanischen Unternehmen wird erwartet, dass Kollegen zumindest ein wenig Zeit miteinander verbringen. Gerade neuen Mitarbeitern kann das helfen, Kontakte zu knüpfen.
  3. Gründliche Organisation und Planung: Japaner arbeiten nicht nur in Teams, sondern auch besonders effizient. Projekte werden strukturiert geplant und gut organisiert. Das verhindert Panik kurz vor der Deadline.

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