Paare, die zwei Karrieren und Familie gleichzeitig organisieren, stehen vor vielen Herausforderungen. Für Eltern gestaltet sich mit dem Krippenausbau nicht automatisch auch die Wirtschaftswelt familienfreundlicher. Oft bleibt der Organisationsstress mit Job und Kind immer noch an den Frauen hängen, denn alte Rollenmodelle ändern sich nicht so schnell. Obwohl sich Frauen beruflich erfolgreicher als bisher durchsetzen, finden sich in den Führungsetagen deutscher Unternehmen nur knapp sechs Prozent Frauen. Ich habe mich mit Julia Rohleder, Abteilungsleiterin Recruitment bei OTTO, darüber unterhalten, wie es Frauen und Männern gelingen kann, Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren.
Warum sind immer noch so wenige Frauen in Führungspositionen zu finden?
Ich sehe dafür zwei wesentliche Gründe: Nicht alle Unternehmen verfügen über gute Rahmenbedingungen, damit Frauen Karriere und Familie unter einen Hut bringen können. Und viele gut ausgebildete Frauen, die einen Kinderwunsch oder bereits Kinder haben, trauen sich nicht zu, im Job richtig durchzustarten. Die Zeit, in der man sich für eine Führungsposition qualifiziert, liegt in der Regel zwischen 30 und 40. Das ist aber auch genau die Zeit, in der sich Frauen mit dem Thema Elternschaft beschäftigen. In dieser Zeit können sich Männer dann deutlich stärker um ihre Karriere kümmern. Außerdem stellen sich junge Frauen oft stärker in Frage als junge Männer: Kann ich diesen Schritt in Richtung Führung wagen, bin ich geeignet dafür?
Wie bewerten Sie die Rahmenbedingungen für den beruflichen Aufstieg von Frauen bei OTTO? Was hat sich in den vergangenen Jahren verändert?
Seit einigen Jahren steht das Thema nicht nur gesellschaftlich, sondern auch bei uns im Unternehmen sehr viel stärker im Fokus. Da hat sich einiges getan und vieles verbessert. Bei OTTO haben wir mittlerweile etwa 40 Prozent Frauen in Führungspositionen, sehr viel mehr als noch vor zehn Jahren. Bei unseren Nachwuchskräften schauen wir genau hin, welche Potenziale in ihnen stecken und wie wir sie fördern können. Viele junge Frauen haben vielleicht noch keine unmittelbaren Ambitionen – wir ermutigen sie aber dahingehend und helfen ihnen beim Selbstmarketing.
Gibt es Zahlen dazu, wie viele Männer bei OTTO Elternzeit nehmen?
Ich schätze, dass es aktuell etwa vier Prozent der Väter sind. Die meisten nehmen zwei Monate. Obwohl viele Führungskräfte ihre männlichen Angestellten unterstützen und ermutigen, ist die Zahl noch nicht allzu hoch. Seit zwei bis drei Jahren tut sich aber etwas; von 2012 auf 2013 hat sich die Zahl der Männer in Elternzeit – auch von Führungskräften – noch einmal gesteigert. Die wahrgenommene Hürde in Deutschland für Männer, die länger aus dem Job aussteigen oder zumindest vorübergehend von Voll- auf Teilzeit wechseln möchten, besteht v.a. aus dem vielzitierten Karriereknick – dies haben sie allerdings gemeinsam mit den Frauen, wenn sie Mutter werden.
Welchen Rat geben Sie Frauen, die Familie und Beruf miteinander vereinbaren wollen?
Machen Sie sich Ihre Wünsche und Ziele bewusst, klären Sie Ihre eigenen Prioritäten und stehen Sie dazu. Die grundlegenden Fragen, die Sie sich stellen sollten, sind: Welches Lebensmodell möchte ich leben? Wie gestalte ich mein Leben? Welches Modell kann ich mit meinem Partner entwickeln, das uns beiden gerecht wird? Ist Ihnen die Familie ebenso wichtig wie der Job, dann ist es zumindest am Anfang für beide schwierig, Vollzeit zu arbeiten, denn der Tag hat nur 24 Stunden.
Ganz wichtig: Bleiben Sie, sobald Sie Ihre Schwangerschaft mitgeteilt haben, in engem Austausch mit Ihrem Vorgesetzten, auch während der Elternzeit. Es kommt selten gut an, nach drei Jahren wieder im Büro zu stehen, ohne vorher gemeinsam geklärt zu haben, wie Sie Ihren Job zukünftig z.B. auch in Teilzeit erfolgreich machen können – es steht im Unternehmen viel Organisation und Vorbereitung dahinter. Für mich steht das Thema Eigenverantwortung über allem, das heißt, wir können einer Mitarbeiterin nichts hinterhertragen, sondern die Initiative muss genauso von den Frauen ausgehen.
Wie unterstützt OTTO konkret die Vereinbarkeit von Familie und Beruf?
Wir bieten unzählig viele Teilzeit-Modelle an, auch einige für Führungspositionen, letztere allerdings zwischen 70 und 90 Prozent der Arbeitszeit. Auf Referenten- oder Sachbearbeiterpositionen sind auch 50% oder 60% häufig. Wir haben auch einige gute Job-Sharing-Beispiele auf diesen Stellen.
Außerdem hat OTTO einen speziellen Eltern-Kind-Arbeitsplatz mit einem Wickeltisch und einer Spielecke, falls ein Kind im Notfall nicht anders unterkommen kann. Hinzu kommen noch einige freigehaltene Kita-Plätze und Kinderferien-Betreuung. Darüber hinaus gibt es Beratungsstellen für Themen wie den Wiedereinstieg in den Beruf sowie unser betriebliches Gesundheitsmanagement aktiv.net, an das sich Mitarbeiter zum Beispiel bei Überlastung wenden können.
Gibt es so etwas wie eine lebensphasenorientierte Personalpolitik?
Ich würde das noch nicht so benennen, aber je älter die Gesellschaft wird, desto mehr rückt zum Beispiel das Thema der Vereinbarkeit von Beruf und der Pflege kranker oder älterer Angehöriger in den Mittelpunkt. Jeder Mensch durchläuft ganz unterschiedliche Lebensphasen – von der Ausbildung über eine ganz unterschiedlich gestaltete Karriere und / oder Familie bis hin zur Rente. Vielleicht möchte man aber auch eine längere Auszeit in Form eines Sabbaticals nehmen, um sein Ehrenamt oder ein intensives Hobby zu pflegen. Das Leben kann noch so gut durchgeplant sein, im schlechtesten Fall kommt eine schwere Krankheit mit anschließender Rehabilitation oder sogar Arbeitsunfähigkeit dazwischen. Wir bieten in jeder dieser Phasen Unterstützung. Ein Thema, von dem ich glaube, dass es viel wichtiger werden wird, ist die sogenannte „Späte Karriere“. Das betrifft z.B. Frauen, die noch mal richtig durchstarten möchten, wenn die Kinder alt genug sind, oder ältere Arbeitnehmer, die noch nicht in Rente gehen möchten. Hier gilt es, Potenziale zu wecken und gezielt zu fördern.
Welchen Profit zieht ein Unternehmen daraus, eine gute Vereinbarkeit von (Familien-)Leben und Beruf zu bieten?
Der Gewinn für ein Unternehmen ist enorm, denn die Mitarbeiter sind engagierter und motivierter, sie fühlen sich ernst genommen, haben oft weniger Fehlzeiten. Die Attraktivität als Arbeitgeber und damit die Bedeutung der Arbeitgebermarke steigt, und das ist in Zeiten eines verstärkten Wettbewerbs um qualifizierte Mitarbeiter sehr wichtig: Mit den Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Leben und Beruf gehen wir an immer weniger Talenten vorbei.
Vielen Dank für das nette und informative Gespräch, Frau Rohleder.
Ich freue mich wie immer über Ihr Feedback.
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