Haftnotizzettel, am bekanntesten sicher in Gelb, sind seit vielen Jahren fester Bestandteil bei jeder Bestellung von Büromaterial und finden sich auf fast allen Schreibtischen wieder. Aber wie sieht eigentlich die Verwendung heutzutage aus? Gibt es in der digitalen Welt noch Platz für die kleinen bunten Zettel? Um hier einen Eindruck aus der Praxis außerhalb von OTTO Office zu erhalten, habe ich mit Florian Steglich gesprochen. Herr Steglich ist Redakteur bei dem Produktivitätsblog imgriff.com….
Wie lautet Ihr Name?
Florian Steglich
Wie lautet Ihre Berufsbezeichnung?
Ich arbeite für die Blogwerk AG, bin einerseits Redakteur des Produktivitätsblogs imgriff.com und arbeite andererseits bei Kundenprojekten mit, bei denen es um redaktionelle Dienstleistungen geht.
Was ist Ihr Geheimtipp, wenn es um Büroorganisation geht?
Das Tool »Things« von Cultured Code, einer sympathischen kleinen Softwarefirma aus Stuttgart, mit dem ich meine Aufgaben organisiere. Es könnte kaum besser sein. (http://culturedcode.com/)
Wohin haben Sie Ihre letzte Haftnotiz geklebt? Wofür haben Sie ihn genutzt?
Ich nutze sie mittlerweile vor allem, um z.B. Stellen in Büchern oder anderen Dokumenten mit vielen Seiten zu markieren. Der Letzte markierte vermutlich ein Rezept in einem Kochbuch.
Denken Sie, es ist möglich mit klebenden Notizzetteln ein richtiges System für die Arbeitsorganisation zu entwickeln?
Sie können sicherlich wesentlicher Teil eines Organisationssystems sein. Mein Kollege Thomas Mauch hat kürzlich bei imgriff.com über »Personal Kanban« geschrieben, ein System der Aufgabenplanung, bei dem die To-Do’s mit Klebezetteln visualisiert werden.
Nutzen Sie ein Farbsystem, um Ihre Notizzettel zu organisieren?
Nein, ich bleibe beim klassischen Gelb.
Herr Steglich hat also den Großteil seiner Notizen in die virtuelle Welt verlagert. Die Verwendung von Haftnotizen bei der erwähnten Kanban-Methode zeigt allerdings auch, dass es anders geht. Nach meinen Recherchen habe ich festgestellt, dass Kanban schon sehr bekannt ist und Jim Benson auch die Veröffentlichung eines Buches plant. Daher habe ich mich entschieden an der Stelle näher auf diese Methode einzugehen.
Kanban wurde 1947 im japanischen Toyota Konzern entwickelt, um die Produktivität, die deutlich unter der amerikanischen Konkurrenz lag, zu steigern. Das Prinzip basiert auf dem Zurufprinzip und sollte es ermöglichen, alle Prozesse transparent zu kommunizieren. Hauptbestandteil ist die Visualisierung mittels Schildern oder Tafeln. Diese Idee wurde im Lauf der Jahre auf andere Bereiche übertragen und „Personal Kanban“ gilt heute als ein Produktivitätstool mit dem sämtliche Prozesse geplant und abgearbeitet werden können.
Auf einer Tafel, einem Flip-Chart oder Ähnlichem wird der Worflow als simples Grundgerüst in drei Bereiche gegliedert:
- Backlog
- Work in Progress (WiP)
- Done
Zu Beginn werden anstehende Aufgaben auf einer Haftnotiz notiert und in die Spalte Backlog eingeordnet. So hat man einen Überblick über Aufgaben, die noch nicht in Angriff genommen wurden. Werden die Aufgaben begonnen müssen die Haftnotizzettel in die Spalte WiP wandern. Sieht man dann zu jeder Zeit, welche To-Dos laufend sind und welche im Backlog, führt dies im besten Fall zu einer konsequenteren Arbeitsweise, da ein konkreter Überblick über den anstehenden Workload gegeben ist. Nach Abschluss eines ToDos kann der Zettel in die „Done“-Spalte geklebt werden und ermöglicht damit ein Effektivitäts-Review am Ende einer Woche. Wurde Alles umgesetzt? Mit welchem Ergebnis? Was könnte in der nächsten Woche besser gemacht werden?
Auf Basis dieses Grundmodells kann das „Personal Kanban“ beliebig auf eigene Prozesse und Gegebenheiten angepasst werden. Es können beispielweise die Prozesse aller Mitarbeiter untereinander in einem Kanban abgebildet werden, um gegenseitige Wechselwirkungen und Abhängigkeiten abzubilden und aufeinander abzustimmen. Aufgaben können durch ein Farbsystem kategorisiert werden, z.B. nach Priorität. Für bestimmte Prozesse kann es auch sinnvoll sein eine andere Aufteilung als Backlog, WIP und Done gewählt werden. Für unsere virtuellen Leserfreunde sei hinzugefügt, dass es auch spezielle Kanban Softwares gibt, z.B. ZEN.
Eine spannende Methode um Haftnotizen beim Lesen von Büchern effektiv als Notizzettel zu verwenden findet sich z.B. auch in dem englischsprachigen Blog 43 Folders. Beginnt man ein neues Buch werden einfach mehrere leere Haftnotizzettel auf die erste Coverseite geklebt. Damit ist sichergestellt, dass egal wo man ist spontan die Möglichkeit für Notizen besteht. Ist ein Notizzettel „voll“ wandert dieser an das Buchende um später mit den anderen Notizen gesammelt digital erfasst zu werden. Der Haftnotizzettel wandert somit vom Anfang des Buches über das Ende bis hin an den Rand des Monitors. Und auch wenn das Abtippen etwas aufwendig werden kann, je nach Umfang der Notizen, gehen diese eben nicht verloren.
Wie ist es denn bei Ihnen liebe Leser? Wofür nutzen Sie die gelben Haftnotizen? Hat sich Ihre Verwendung im Lauf der Zeit geändert? Sind auch Sie vollkommen „digital“ oder können Sie sich einen Arbeitsalltag ohne die klebenden Notizzettel einfach nicht mehr vorstellen?