Impostor-Syndrom

Gelegentliche Selbstzweifel sind normal. Bei manchen Menschen nehmen Zweifel am eigenen Tun allerdings derartig massive Züge an, dass sie sich wie Betrüger oder Hochstapler vorkommen. Obwohl sie beruflich und privat zahlreiche Erfolge vorweisen können, sind sie von ihrer eigenen Unfähigkeit überzeugt. Gute Leistungen schreiben sie dem Zufall oder Fremdeinflüssen zu.

Dieses Phänomen bezeichnet man als Impostor-Syndrom. Hier erfahren Sie, was dahinter steckt und welche Tipps Betroffenen das Leben erleichtern.

Impostor-Syndrom – eine Definition

Impostor ist das englische Wort für Hochstapler oder Schwindler. Das Impostor-Syndrom bezeichnet ein psychologisches Phänomen, bei dem sich Menschen irrtümlicherweise für Hochstapler halten. Beschrieben wurde das Hochstapler-Syndrom erstmals im Jahr 1978 von den beiden Psychologinnen Dr. Pauline R. Clance und Suzanne A. Imes.

Vom Impostor-Syndrom betroffene Personen leiden unter ausgeprägten Selbstzweifeln. Objektive Erfolge führen sie nicht auf ihre eigenen Kompetenzen zurück, sondern auf Glück oder die Hilfe anderer. Betroffene haben das Gefühl, andere Menschen zu betrügen. In Folge leben sie in ständiger Angst, als Schwindler entlarvt zu werden.

Auch vor Prominenten machen die massiven Selbstzweifel nicht halt. Schauspielerin Emma Watson sprach in einem Interview über ihre Angst, einmal als Schwindlerin enttarnt zu werden, die ihren Erfolg überhaupt nicht verdiene. Oscar-Gewinnerin Jodie Foster gab zu, ihre Auszeichnung für „einen Zufall“ zu halten. Sie hatte sogar Sorge, dass ihr der Oscar wieder aberkannt werden könnte. Ihr Kollege Tom Hanks fragte sich 2016 im Podcast Fresh Air: „Wann werden sie feststellen, dass ich tatsächlich ein Hochstapler bin?“

So wirkt sich das Impostor-Syndrom auf die Karriere aus

Das Impostor-Syndrom hat direkte Auswirkungen auf die Arbeitsweise. Betroffenen fällt es unter anderem schwer, Erfolge und Komplimente anzuerkennen. Gelingt ihnen zum Beispiel der Abschluss eines großen Projekts, versuchen sie, den Erfolg oder ihren eigenen Beitrag herunterzuspielen.

Aufmerksamkeit und Wertschätzung der eigenen Leistung sind ihnen peinlich, Komplimente weisen sie daher zurück. Um ihre angebliche Unfähigkeit zu überspielen, nehmen sie immer mehr Arbeit auf sich. An sie herangetragene Erwartungen versuchen sie noch zu übertreffen.

Auf Dauer kann dieses Verhalten in einen Teufelskreis übergehen. Redet man die eigene Leistung ständig klein, überzeugt man damit irgendwann auch Kollegen und Vorgesetzte. Traut einem das Umfeld weniger zu, wird mehr Arbeit nötig, um weiterhin Lob und Anerkennung zu bekommen. Menschen mit Impostor-Syndrom sind so bald davon überzeugt, ihren Job nur durch extrem hohe Anstrengung behalten zu können.

Das Hochstapler-Syndrom erschwert nicht nur den Arbeitsalltag, sondern kann auch gesundheitliche Folgen nach sich ziehen. Perfektionismus und übersteigerter Ehrgeiz führen nicht selten zur Überanstrengung und erhöhen das Risiko für einen Burn-out. Wissenschaftliche Studien haben zudem gezeigt, dass Betroffene deutlich unzufriedener mit ihrer Arbeit sind. Auf Dauer lässt dadurch die Arbeitsleistung nach. Auch Angststörungen und Depressionen werden mit dem Impostor-Syndrom in Verbindung gebracht.

Top-Performer besonders häufig betroffen

Das Impostor-Syndrom ist weit verbreitet. Eine Studie aus dem Jahr 2011 kommt zu dem Schluss, dass rund 70 Prozent aller Menschen einmal von diesem Phänomen betroffen sind. Frühere Untersuchungen gingen noch davon aus, dass Frauen häufiger unter dem Hochstapler-Syndrom leiden als Männer.

Neueren Studien zufolge gibt es jedoch keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern. Tatsächlich sind es vor allem sogenannte Vorreiter und Top-Performer, die sich mit dem Gefühl plagen, ein Betrüger zu sein. Dazu gehören etwa Menschen, die als erste in ihrer Familie studieren, sowie Führungskräfte, von denen außergewöhnliche Leistungen erwartet werden.

Leiden Sie am Impostor-Syndrom? Finden Sie es heraus!

Ein typisches Merkmal für das Impostor-Syndrom ist das Gefühl, dass eigene Erfolge nur auf Glück oder Zufall beruhen. Betroffene glauben, kein Lob für ihre Leistung zu verdienen, neigen zum Perfektionismus und sind häufig überambitioniert.

Glauben Sie, am Impostor-Syndrom zu leiden, sehen Sie sich die folgenden Aussagen an. Je mehr Aussagen Sie zustimmen, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie betroffen sind:

  • Sie fühlen sich nicht gut genug für Ihren Beruf / Ihre Freunde / Ihre Familie.
  • Es fällt Ihnen schwer, sich über Erfolge zu freuen.
  • Sie leben in der Angst, dass jemand Ihre Unfähigkeit aufdeckt.
  • Sie mögen keine Komplimente und können Lob nur schwer annehmen.
  • Sie glauben, dass Ihr Umfeld sie überschätzt.
  • Sie legen großen Wert auf die Meinung anderer Menschen.
  • Sie bitten selten oder nie um Hilfe.
  • Teamarbeit fällt Ihnen schwer und Sie halten lieber Distanz.

Leichter leben und arbeiten mit dem Hochstapler-Syndrom

Wie so oft gilt: Selbsterkenntnis ist der erste Weg zur Besserung. Zunächst einmal müssen Sie erkennen, dass Ihre Selbstzweifel unangebracht sind und in eine negative Gedankenspirale führen. Ist dieser Schritt getan, gibt es verschiedene Möglichkeiten, um die negativen Gedanken in eine positivere Richtung zu lenken.

Das Impostor-Syndrom wird nicht als psychische Störung angesehen. Es kann jedoch schwerwiegende Auswirkungen auf das Wohlbefinden und die psychische Gesundheit haben. Merken Sie, dass Ihre Selbstzweifel Sie negativ beeinträchtigen, kann professionelle Hilfe angebracht sein. Eine Verhaltenstherapie oder ein speziell abgestimmtes Coaching hilft Betroffenen dabei, ein realistischeres Bild von sich und ihren Fähigkeiten zu gewinnen. Auch der Austausch mit anderen Betroffenen kann vorteilhaft sein, etwa in Selbsthilfegruppen oder Internet-Foren.

Beim Überwinden des Impostor-Syndroms kann zudem das Führen eines Tagebuchs Unterstützung bieten. Das sogenannte Journaling ist eine bewährte Entspannungstechnik und hilft zudem dabei, Erfolge realistisch einzuschätzen. Notieren Sie beispielsweise jeden Tag kleine und große Erfolge, Komplimente und Feedback.

Menschen mit Impostor-Syndrom lehnen Komplimente meist reflexartig ab. Setzen Sie sich diesem Impuls bewusst entgegen. Lobt jemand Ihre Arbeit, verzichten Sie auf Tiefstapelei und bedanken Sie sich stattdessen für das positive Feedback.

Das Gegenteil des Imposter-Syndroms: der Dunning-Kruger-Effekt

Vom Impostor-Syndrom sind zumeist kompetente Menschen betroffen, die tatsächlich gute Leistungen erbringen. Das Gegenteil dieses Phänomens ist der Dunning-Kruger-Effekt. Der Begriff wurde 1999 von David Dunning und Justin Kruger geprägt und besagt, dass sich insbesondere inkompetente Menschen oft überschätzen.

Kurz gesagt: Wer viel weiß, weiß, was er nicht weiß. Wer wenig weiß, kann dagegen Lücken im eigenen Wissen und in den eigenen Fähigkeiten schlechter erkennen. Weniger kompetente Personen neigen daher zur Selbstüberschätzung.

Bertrand Russell beschrieb das Dilemma sehr treffend:

„Die Hauptursache des Problems ist, dass in der modernen Welt die Dummen selbstsicher und die Intelligenten voller Zweifel sind.“

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