Frau im Lotussitz mit VR-Brille

In älteren Artikeln zum Thema „virtuelle Reisen“ äußern die Autoren häufig die Ansicht, dass diese Art des Urlaubs zwar eine gute Ergänzung zur realen Reise sei, diese aber nicht ersetzen kann. Die Vorstellung, dass Menschen keine Kreuzfahrten mehr machen oder freiwillig auf Flüge verzichten, klang damals absurd. Ähnlich abwegig war vor einigen Monaten auch die These, dass Unternehmen es überwiegend ihren Mitarbeitern überlassen, ob sie ins Büro kommen oder aus dem Home Office arbeiten möchten. Doch dann kam Corona …

Die Pandemie hat viele Steine ins Rollen gebracht, die zuvor als unverrückbar galten. Darüber hinaus zwingt sie die Menschen, sich neue, möglichst kreative Lösungen zu suchen. Ganz nebenbei hat Corona der digitalen Entwicklung einen enormen Push gegeben. Digitalisierung spielt eine wichtigere Rolle als je zuvor. Das gilt für das Berufs- ebenso wie für das Privatleben.

In diesem Artikel beschäftigen wir uns mit einem Thema, das von der breiteren Öffentlichkeit erst durch die Corona-Pandemie so richtig entdeckt wurde: das virtuelle Reisen. Was steckt genau dahinter? Ist ein virtueller Urlaub überhaupt schon möglich? Wo liegen die Herausforderungen? Mit diesen und ähnlichen Fragen setzen wir uns in den folgenden Absätzen auseinander.

Die virtuelle Flucht aus dem Alltag

Jeder Arbeitnehmer freut sich auf seine Urlaubstage. Viele möchten auf Fernreisen die Welt erkunden, fremde Kulturen kennenlernen und sich Sehenswürdigkeiten anschauen. Souvenirs und Fotos zeugen später von einer (hoffentlich) interessanten Reise. Fernreisen sind aber wegen Covid-19 derzeit nur in sehr begrenztem Maße möglich. Was tun?

Um sich in andere Länder zu träumen, können 360°-Videos oder ein Trip via Google Earth helfen. Einen richtigen Urlaub ersetzen diese Optionen freilich nicht. Virtuelle Realität geht einen Schritt weiter und projiziert digitale Welten, in der man sich frei bewegen und, im Idealfall, interagieren kann.

Voraussetzung dafür ist eine VR-Brille. Hat man eine solche Brille auf der Nase, ist man, zumindest was das Sehen angeht, sofort von der realen Welt abgeschnitten. Man kann in die simulierte Welt eintauchen und dort Zeit verbringen.

Technisch noch weit weg entfernt von „echten“ virtuellen Reisen

Einige Urlaubsdestinationen, Museen und andere kulturelle Einrichtungen, die von der Coronakrise mit voller Wucht getroffen wurden, haben sich „Virtualität“ auf die Fahnen geschrieben. In den meisten Fällen handelt es sich aber leider um Mogelpackungen. Denn anstatt sich in einer virtuellen Welt zu bewegen, schaut man sich 360°-Panoramabilder an. Oder man folgt via Internet einem Guide vor Ort, der bewegte Bilder via GoPro-Kamera überträgt. Dabei handelt es sich dann um Remote Tourism.

Das ist zwar beides besser als nichts, aber noch weit entfernt von einem tatsächlichen virtuellen Urlaub. Es ist aber auch kein Wunder, dass virtuelle Reisen und virtuelles Sightseeing bislang nur punktuell möglich gemacht wurden, denn das erfordert einen unglaublichen Aufwand und verursacht enorme Kosten.

Momentan kann man eher von virtuellen Erlebnissen sprechen statt von virtuellen Reisen. Dafür müsste man Strände, Hotels, Inseln und ganze Landstriche digital „nachbauen“ und dann interaktiv erlebbar machen. Das klingt trotz Digitalisierungsschub immer noch eher nach Science-Fiction.

Die größten Herausforderungen virtueller Reisen

Nehmen wir an, dass eine solche Infrastruktur in naher Zukunft entwickelt wird und virtueller Urlaub möglich ist. Dann wollen wir hoffen, dass dabei auch die größten Herausforderungen bewältigt wurden. Dazu gehört die Glaubwürdigkeit, das Zeitempfinden und das Vor-Ort-Gefühl.

Zunächst einmal müsste der virtuelle Urlaubsort glaubwürdig sein. Das ist der Fall, wenn das virtuelle Abbild den Eigenschaften der natürlichen, realen Welt entspricht. Virtuelle Dinosaurier in einem virtuellen Paris würden dafür sorgen, dass man sich eher fühlt als befinde man sich in einem Spiel … oder zumindest in der Variante „Abenteuerurlaub“.

Damit der Mensch die virtuelle Realität akzeptiert, müssen unzählige Ereignisse einprogrammiert werden. Das Ticken einer Uhr, Blätter im Wind, die Bewegungen anderer Menschen, vorbeiziehende Vögel, Regentropfen oder Sonnenaufgänge. Bewegung und Veränderung sind Signale, die dem Menschen bestätigen, dass die Zeit vergeht. Ohne diese beiden Faktoren gerät das Leben aus dem Takt.

Das Vor-Ort-Gefühl beschreibt das Gefühl, dass man wirklich DA und eingetaucht ist. Dieses Gefühl kann sehr leicht gestört werden, z.B. durch Latenz. Bewegt man sich durch eine virtuelle Welt, setzt sich in ein Cafe und möchte Zeitung lesen, reicht eine zeitliche Verzögerung beim Umblättern der Seiten aus, um das Vor-Ort-Gefühl zu zerstören. Dementsprechend darf es bei der Datenübertragung keine Unterbrechungen geben.

Sehen, hören und fühlen lassen sich in virtuellen Welten vergleichsweise gut simulieren. Schwieriger wird es, das Riechen zu ermöglichen. Insbesondere, wenn man „in Bewegung“ ist und sich die Gerüche normalerweise dabei verändern. Und beim Thema Schmecken fällt uns leider spontan auch keine Lösung ein …

Fazit

Einzelne virtuelle oder, besser gesagt, digitalisierte Erlebnisse sind heutzutage bereits möglich. Solche Angebote sind nicht nur während einer Pandemie eine Alternative, sondern eignen sich generell für alle, die aufgrund körperlicher Einschränkungen oder wegen fehlender finanzieller Möglichkeiten nicht in der Lage sind, per Flugzeug zu verreisen.

Ein adäquater Ersatz für echte Urlaubsreisen werden virtuelle Welten aufgrund der oben beschriebenen Probleme in absehbarer Zeit nicht werden. Nichtsdestotrotz holen die aktuellen Diskussionen das Thema Virtualität verdientermaßen wieder aus der Nische.

Wir hoffen, dass die Pandemie bald vorüber ist und Wege gefunden werden, um umweltfreundlicher zu verreisen. Bis dahin besuchen wir noch den Louvre, die Pyramiden und die Internationale Raumstation ISS … natürlich virtuell!

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