Ständige Erreichbarkeit

Um sich im Job mit einer hohen Flexibilität, mit großem Engagement und mindestens genauso viel Arbeitseifer zu beweisen, antworten viele Angestellte auch lange nach Feierabend noch auf E-Mails oder gehen ans Telefon, wenn der Chef anruft. Die permanente Erreichbarkeit hat aber auch ihre Schattenseiten: Wir zeigen, warum der 24/7-Job nicht unbedingt der richtige ist.

Die rechtliche Seite: Wann muss ich erreichbar sein?

Diese Information dürfte wenig überraschen. Natürlich ist kein Arbeitnehmer dazu verpflichtet, permanent und ständig für das Unternehmen erreichbar zu sein. Nach Feierabend darf man berufliche Anrufe oder E-Mails daher getrost ignorieren, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen. Auch dann, wenn es keine festen Arbeitszeiten gibt, ist die Regelung eindeutig: Nach acht Stunden ist Schluss. Lediglich in Ausnahmefällen beträgt die Arbeitszeit auch mal zehn Stunden.

Darüber hinaus regelt das Arbeitszeitgesetz eine tägliche ununterbrochene Ruhezeit von mindestens elf Stunden, in der es definitiv keine berufliche Störung geben darf. Um Missverständnisse auch für Mitarbeitende im Homeoffice auszuschließen, haben sich diese an- und abzumelden. Mit der Erreichbarkeit hört es zudem immer dann auf, wenn sich Angestellte im Urlaub befinden oder wenn sie krank sind.

Lediglich bei einem betrieblichen Notfall ist eine Kontaktaufnahme im Urlaub rechtlich zulässig. Außerdem kann der Chef eine Erreichbarkeit bei den Urlaubstagen verlangen, die über den gesetzlich vorgeschriebenen Mindesturlaub hinausgehen. Ausnahmen gelten zudem bei einer vertraglich geregelten Rufbereitschaft oder im Bereitschaftsdienst. Auch bei Führungskräften mit einer hohen Verantwortungsposition im Unternehmen können abweichende Regelungen gelten.

Trotz klarer Regelungen: Warum man trotzdem erreichbar ist

Auch wenn die gesetzliche Seite eindeutig ist, machen nicht alle Arbeitgeber von ihrem guten Recht Gebrauch und genießen einfach entspannt ihren Feierabend. Meist ist es die moralische Verpflichtung, die dazu führt, dass wir kurz vor dem Schlafengehen noch schnell auf eine E-Mail antworten oder beim Restaurantbesuch ans Handy gehen. Die Angst, als wenig engagiert und faul zu gelten, ist bei vielen Angestellten hoch. Hinzu kommt der mögliche Konkurrenzdruck, es vielleicht schneller und besser erledigen zu können als die Kollegen. Im Rennen um die Beförderung möchte man schließlich die Nase vorn haben.

Auch die Neugierde ist ein Beweggrund für die Erreichbarkeit außerhalb der regulären Arbeitszeit: Schließlich haben viele das Smartphone heute ständig bei sich. Dementsprechend haben wir jederzeit einen Blick auf eingehende E-Mails, Nachrichten, WhatsApp und Anrufe. Privates und Berufliches vermischen sich da schnell. Und wenn man bereits gesehen hat, dass eine E-Mail des Kollegen angekommen ist, ist die Versuchung groß, diese zu öffnen – schließlich möchte man ja wissen, was „um diese Zeit“ noch so dringend ist.

Die Konsequenzen, wenn der Kopf ständig bei der Arbeit ist

Wer ausnahmsweise abends mal einen Anruf annimmt oder alle zwei, drei Monate nach Feierabend eine schnelle Antwort ins Handy tippt, trägt mit großer Wahrscheinlichkeit keine größere Belastung davon. Anders sieht es aus, wenn man in ständiger (Alarm-)Bereitschaft steht und immer das Gefühl hat, gleich angerufen zu werden oder eine Hiobsbotschaft zu erhalten.

Die Konsequenzen liegen auf der Hand: Gedanklich bleibt man 24/7 bei der Arbeit. Es fällt schwer, abzuschalten und den Kopf freizubekommen. Das Stresslevel ist dauerhaft hoch. Es verwundert wenig, dass die eigene Gesundheit unter diesem Zustand leidet. Neben körperlichen Reaktionen, wie Kopfschmerzen, Müdigkeit und Abgeschlagenheit, kommen auch psychische Belastungen hinzu. Dauerstress kann unter anderem auch zu einem Burn-out führen.

Wer den Gedanken fortführt, stellt fest, dass dies auch Konsequenzen für den Arbeitgeber haben kann: Denn gesundheitlich angeschlagene Mitarbeiter können (während der Arbeitszeit) nicht 100 Prozent ihrer Leistung erbringen und fallen womöglich sogar komplett aus.

Gar nicht so einfach: Die Nicht-Erreichbarkeit üben

Auch wenn es so einfach klingt, dürfte es den wenigsten Menschen leichtfallen, von heute auf morgen plötzlich nicht mehr erreichbar zu sein. Die „Versuchung“ durch die permanent verfügbaren digitalen Verlockungen ist schließlich groß. Hier ein paar Tipps, die dennoch helfen können:

  • Sofern vorhanden, schaltet man das Arbeitshandy abends bewusst aus. Auch der Laptop oder PC wird zum Feierabend regelmäßig heruntergefahren, auch wenn man im Homeoffice arbeitet.
  • Etwas schwieriger wird es beim privaten Handy: Im Grunde hat der E-Mail-Account des Arbeitgebers darauf nichts zu suchen. Ist er doch eingerichtet, dann schalten Angestellte die Synchronisierung ab den Abendstunden einfach aus.
  • Bei WhatsApp-Nachrichten wird es noch herausfordernder, sie zu ignorieren. Hier kann es bereits hilfreich sein, Benachrichtigungen auf stumm zu schalten. Auch wenn es zunächst ungewohnt ist, liest man sie zudem erst am nächsten Arbeitstag.
  • Sprechen Sie mit Ihren Kollegen und mit den Vorgesetzten und zeigen Sie ihnen in freundlichen Worten ihre Grenzen auf. Es ist legitim, offen zu kommunizieren, dass Sie ab einer bestimmten Zeit nicht mehr angerufen und angeschrieben werden möchten.
  • Wer sonst die Hände nicht vom Handy lassen kann, verbannt es zumindest aus dem Bett und aus dem Schlafzimmer – Sie werden sehen, wie viel entspannter Sie schlafen.
  • Legen Sie mindestens einen handyfreien Abend in der Woche ein. Die absolute Sicherheit, dass es keine Störung gibt, kann (mit etwas Gewöhnung) sehr entspannend sein. Wer auf den Geschmack gekommen ist, lässt das Smartphone dann vielleicht sogar noch häufiger aus.

Urheber des Titelbildes: malkovkosta/ 123RF Standard-Bild