Nach dem Fast Food kam das Slow Food. Nach den Pauschalreisen das Konzept des Slow Travel. Seit einigen Jahren schwappt nun eine weitere Bewegung aus den USA nach Deutschland, die ebenfalls auf Entschleunigung setzt: „Slow Work“ soll die Einstellung zur Arbeit verändern und dabei langfristig sogar die Produktivität steigern.
Was sich hinter dem Begriff verbirgt, erfahren Sie in diesem Artikel.
Slow Work: Was versteht man darunter?
Slow Work lässt sich als Gegenbewegung zur schnelllebigen Arbeitswelt verstehen. Verbunden mit der Globalisierung und Digitalisierung werden Arbeitsabläufe immer vielschichtiger. Andererseits führen Einsparungsmaßnahmen, Umstrukturierungen und Fachkräftemangel dazu, dass immer weniger Beschäftigte immer mehr Aufgaben übernehmen müssen.
Das hat Folgen: Wie der Young Professional Attraction Index zeigt, haben 78 Prozent der jüngeren Berufstätigen bereits ein Burn-out-Erlebnis gehabt.
Die Slow Work-Bewegung möchte den Arbeitsalltag entschleunigen. Beschäftigte sollen langsamer, aber bewusster arbeiten. Im Fokus steht nicht mehr die steile Karriere mit einem möglichst hohen Einkommen, sondern eine ausgewogene Work-Life-Balance mit hoher Lebensqualität.
Langsamer arbeiten und produktiver werden
Langsamer arbeiten und dennoch die gleiche oder sogar mehr Leistung erbringen – das klingt zunächst paradox. Experten wie Gail Kinman, Professor für Occupational Health Psychology an der Universität von Bedfordshire, argumentieren allerdings, dass Slow Work tatsächlich die Produktivität steigern kann.
Die These: Nimmt man Tempo aus dem Arbeitsalltag, hat der Körper mehr Möglichkeiten zur Regeneration. Das Stresslevel sinkt, Konzentration und Kreativität steigen. Wer konzentrierter arbeitet, macht weniger Fehler.
Mehr Kreativität hilft dabei, Lösungen für komplexe Probleme zu entwickeln. Langfristig soll sich Slow Work positiv auf die geistige und körperliche Gesundheit auswirken, etwa das Risiko für Burn-out senken.
Wie lässt sich Slow Work im Büroalltag umsetzen?
Slow Work bedeutet nun nicht, dass Sie im Büro alle Aufgaben langsamer erledigen. Stattdessen geht es darum, die Arbeit achtsamer und dadurch konzentrierter anzugehen und den Zeitdruck herauszunehmen.
So lässt sich Slow Work umsetzen:
- Erstellen Sie für jeden Tag eine To-do-Liste und planen Sie für jede Aufgabe doppelt so viel Zeit ein, wie Sie eigentlich veranschlagen würden. Priorisieren Sie Ihre Aufgaben dabei, zum Beispiel nach dem Eisenhower-Prinzip mit dringenden und wichtigen, dringenden und nicht wichtigen sowie wichtigen und nicht dringenden Aufgaben.
- Vermeiden Sie Multitasking! Konzentrieren Sie sich ganz auf die Aufgabe, die gerade ansteht. Legen Sie am besten feste Zeiten fest, zu denen Sie E-Mails checken und beantworten, um sich davon nicht ablenken zu lassen.
- Legen Sie ausreichend Pausen ein. Idealerweise planen Sie die Pausen nach Ihrem eigenen Arbeitsrhythmus: Einige Menschen arbeiten besser, wenn sie alle 30 oder 60 Minuten eine Fünf-Minuten-Pause einlegen. Andere sind produktiver, wenn sie in langen Blöcken arbeiten und darauf eine längere Pause folgen lassen.
- Trennen Sie Beruf und Privatleben. Bauen Sie aktive Entspannungseinheiten in Ihre Freizeit ein, etwa Yoga, Saunabesuche oder regelmäßige Massagen.
- Seien Sie geduldig, wenn sich die Slow Work-Prinzipien nicht direkt umsetzen lassen. Das Konzept ist auf eine langfristige Umstellung des Arbeitslebens ausgelegt. Klappt etwas nicht sofort, funktioniert es vielleicht beim nächsten Mal.
Slow Work und alternative Arbeitszeitmodelle
Slow Work kann auch auf eine komplette Umgestaltung Ihrer Arbeit hinauslaufen. Lassen Tätigkeit und Arbeitgeber es zu, können Sie zum Beispiel Ihre Arbeit zum Teil oder komplett ins Home Office verlagern. Eventuell besteht die Möglichkeit, in Teilzeit zu arbeiten.
Für noch mehr Entschleunigung können Sie auch ein Sabbatical einlegen. Erkundigen Sie sich, ob es an Ihrem Arbeitsplatz die Option für solche Auszeiten besteht. Es muss sich ja nicht unbedingt um ein ganzes Jahr handeln – auch eine Sabbatzeit von drei Monaten trägt schon zur Entspannung bei.
Wie denken Arbeitgeber über Slow Work?
Bei Arbeitgebern stößt das Konzept Slow Work noch auf Skepsis. Die Befürchtung: Arbeiten Beschäftigte langsamer, sinkt die Produktivität. Selbst in den USA sind es vorrangig Selbstständige und Freiberufler, die Slow Work praktizieren – also Menschen, die ihre Arbeitszeit weitgehend frei einteilen können.
Schlagen Sie Ihrem Chef vor, in Zukunft langsamer arbeiten zu wollen, wird das vermutlich wenig Verständnis ernten. Dennoch kann es sich lohnen, Chefs und Führungskräfte mit dem Konzept vertraut zu machen. Dass Slow Work funktionieren kann, lässt sich am besten beweisen, wenn Sie die Prinzipien in die Tat umsetzen und dabei weiterhin gute Ergebnisse erbringen.
Fazit: Slow Work – kurzfristiger Trend oder Bewegung mit Zukunft?
Slow Work ist sicherlich ein Buzzword. Der Trend ist allerdings nicht ohne Grund entstanden, sondern zeigt die Unzufriedenheit mit einer Arbeitswelt, die dauerhaft auf Höchstgeschwindigkeit setzt.
Ob man nun genau diesen Begriff verwendet oder nicht, es spricht vieles dafür, etwas Tempo aus dem Arbeitstag zu nehmen. In allen Branchen wird sich dies nicht umsetzen lassen. Bei typischen Bürojobs allerdings kann die Slow Work Bewegung zu einem Umdenken beitragen: weg vom Leistungsdenken, hin zu mehr Zufriedenheit.
Langfristig führt entschleunigtes Arbeiten zu konstanteren Leistungen, steigert die Produktivität und fördert das kreative Denken.
Urheber des Titelbildes: vadymvdrobot/ 123RF Standard-Bild