Open Hiring

Für Bewerber klingt es fast zu schön, um wahr zu sein. Um einen Job zu bekommen, müssen sie weder eine ausgefeilte Bewerbung verfassen noch ein Vorstellungsgespräch bewältigen oder gar ein Assessmentcenter absolvieren. Mit Open Hiring kann genau dies möglich sein. Das Recruiting-Konzept hat aber auch seine Schattenseiten.

Die Gegenbewegung zum Bewerber-Auswahlverfahren

Von der Stellenausschreibung bis zur Jobvergabe ist es in vielen Unternehmen meist ein langer, aufwendiger und nicht zuletzt kostenintensiver Prozess: Bewerbungen sichten, Einladungen verschicken, Bewerbungsgespräche führen, sich intern beraten, weitere Gespräche führen, Zusagen geben und Absagen erteilen gehören dabei zu den wesentlichen Stationen eines klassischen Bewerbungsprozesses. Dass es auch schneller und einfacher gehen kann, zeigt Open Hiring.

Diese Form einer Gegenbewegung ist Anfang der 1980er erstmals aufgekommen. Eine US-amerikanische Bäckerei verzichtete dabei weniger aus betriebswirtschaftlichen als vielmehr aus sozialen Gründen auf die üblichen Bewerbungs- und Auswahlverfahren. Ihr Ziel war es, allen Bewerbern unabhängig von ihren individuellen Voraussetzungen eine Chance zu geben: Wer sich für den Job interessierte, wurde auch eingestellt.

Open Hiring: Was genau bedeutet das?

Kurz und unkompliziert – so lässt sich das Konzept des Open Hiring treffend auf den Punkt bringen. Auf eine ausgeschriebene Stelle können sich Interessierte über ein Formular bewerben. Steht nur ein Bewerber zur Verfügung, erhält er den Job. Gibt es mehrere Kandidaten, dann gilt das Prinzip „first come, first served“, mit anderen Worten: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.

Dementsprechend spielen mögliche Qualifikationen, Berufsabschlüsse und weitere Vorkenntnisse keine Rolle – ob die Person für den Job geeignet ist, zeigt sich erst Wochen oder Monate später im beruflichen Alltag. Bei dieser Praxis spielen zudem Vorurteile im Hinblick auf Herkunft, Geschlecht, Alter und Religion keine Rolle.

Auch wenn in Zeiten von Personalmangel immer mehr Unternehmen Open Hiring als Chance sehen, Personal schnell zu akquirieren, wird es aktuell (noch) selten praktiziert und ist eher eine Erscheinung am Rande. Sinnvoll und anwendbar das Recruiting-Konzept vor allem für Stellen mit einfachen Tätigkeiten.

Die Vorteile des Bewerbungskonzepts

Aus unternehmerischer Sicht bietet Open Hiring einige wesentliche Pluspunkte:

  • Die Kosten für den ansonsten aufwendigen Recruiting-Prozess lassen sich deutlich senken.
  • Von der Stellenausschreibung bis zur Einstellung vergeht nur wenig Zeit: Offene Stellen können daher zeitnah besetzt werden.
  • Das Unternehmen kann seinen Ruf als sozialer Betrieb ausbauen. Gleichzeitig läuft es nicht unbewusst Gefahr, Menschen zu diskriminieren.

Auch die andere Seite profitiert vom Open Hiring:

  • Jobsuchende müssen sich nicht mehr zeitintensiv mit ihren Bewerbungen beschäftigen oder sich auf Bewerbungsgespräche vorbereiten.
  • Einen Job erhalten auch Personen, die sonst bei Auswahlverfahren (zum Beispiel aufgrund fehlender Qualifikationen) durchs Raster gefallen wären.
  • Der persönliche Background und mögliche Vorurteile (auf der Unternehmensseite) spielen keine Rolle mehr.

Die Kehrseite der Medaille: Was spricht gegen Open Hiring?

Zwar mag Open Hiring sowohl aus unternehmerischer als auch Bewerbersicht einige Vorteile mit sich bringen, das Konzept hat aber auch seine Schwächen:

  • Ob eine Person zu einer Stelle passt, ist nicht mehr relevant. „Ungerecht“ ist das Open Hiring daher gerade für die Menschen, die die eigentlich wichtigen und relevanten Qualifikationen mitbringen.
  • Das Risiko ist vergleichsweise hoch, dass sich die eingestellte Person am Ende als ungeeignet erweist. Eine neue Stellenausschreibung und Einstellung sind dann mit Kosten verbunden. Ein neuer Mitarbeiter muss dann zudem wieder zeitaufwendig eingearbeitet werden.
  • Vor allem für höhere Positionen sowie anspruchsvolle Aufgaben eignet sich Open Hiring eher nicht, da diese Stellen ohne die nötigen Qualifikationen in der Regel gar nicht ausführen lassen.
  • Diese Form des Recruitings bietet nicht zwingend Chancengleichheit – denn hier „gewinnt“ letztlich die Person, die die Stellenanzeige zuerst gesehen hat und am schnellsten war.

Wie kann Open Hiring gelingen?

Damit der Schuss nicht nach hinten losgeht und Open Hiring vielmehr eine Chance für Unternehmen und Bewerber ist, sollte die Stellenausschreibung besondere Aufmerksamkeit erlangen. Hierbei geht es dann weniger darum, den Bewerbern den Job möglichst schmackhaft zu machen, als vielmehr um konkrete Angaben dazu, welche Aufgaben auf die neuen Mitarbeiter zukommen, welche Skills sie mitbringen müssen und welche möglichen Ausschlusskriterien es gibt. Anhand der vorliegenden Informationen sollte der Bewerber dann selbst realistisch einschätzen können, ob der Job für ihn geeignet ist und andersherum.

Die Bearbeitung des Bewerbungsformulars darf keine größere Hürde darstellen. Bestenfalls steht ein Online-Formular zum Anklicken oder Ausfüllen zur Verfügung. Relevante Fragen und Must-haves, die der Bewerber mitbringen sollte, werden hier bereits abgefragt. Wer das Open Hiring nicht bis ins kleinste Detail 1:1 umsetzt, trifft jetzt schon anhand bestimmter Kriterien eine Selektion. Das können beispielsweise Deutschkenntnisse für den Job als Verkäuferin sein oder das Vorliegen eines Führerscheins bei einer Stelle in der Logistik als Gabelstapler-Fahrer.

Urheber des Titelbildes: eugeniashulim/ 123RF Standard-Bild